Überbevölkerung als Ursache für Artensterben, Klimawandel und andere schlechte Nachrichten? Wir verstehen, dass viele nichts davon hören wollen …
Ich mach’ mir die Welt
Widdewidde wie sie mir gefällt ….
Pippi Langstrumpf
Mit diesem Artikel möchte MareMundi zu Einwänden mancher Leser unserer Webseite Zusammenhänge besser verstehen – Überbevölkerung & Anzahl der Menschen und auch des Werkes „Das Mittelmeer“ (siehe weiter unten) Stellung beziehen, die Meinung anderer immer respektierend. Unsere Darstellung und die Zukunftsprognosen sollen zu pessimistisch sein, so der Vorwurf. Für die junge Generation soll es nach einer „no future – Perspektive“ klingen. Wissenschaft und Technik sollen nach dem Motto „Alles wird gut“ viele (alle?) Probleme des Planeten und der Menschheit lösen helfen. Wir befürchten allerdings, dass das Wissen und die Macht, die sich die Menschheit innerhalb relativ kurzer Zeit angeeignet hat, ihre Weisheit weit übersteigt. Bei aller Offenheit und Bereitschaft zu Diskussionen kommen wir eher zur Überzeugung, dass menschengemachter Klimawandel (viele relativieren oder leugnen diesen noch immer) und Artensterben (es wird vielfach kaum beachtet) die größten Herausforderungen der Menschheit sind, und hinter diesen Entwicklungen die Überbevölkerung als eine der primären treibenden Kräfte steht. Gerade diese These wird kritisiert, wobei die Ablehnung gelegentlich mit Artikeln aus den Medien belegt wird (drei Beispiele: Spiegel – Die verquere Logik des Club of Rome, WirtschaftsWoche “Der Westen sollte China kopieren”, FAZ – Die Propheten des Untergangs)
Die warnenden Stimmen werden in solchen Beiträgen manchmal als „Propheten des Untergangs“ bezeichnet, als „destruktive, fortschrittsfeindliche Schwarzseher-Bewegung“ (Steven Pinker), als Kulturpessimisten – und das klingt, als ob Wissenschaftler und Organisationen wie wir sich den ökologischen Untergang wünschen würden. Nachfolgend erläutern wir, dass wir weit davon entfernt sind, eine „no future – Perspektive“ bieten zu wollen. Ganz im Gegenteil: Als Naturschutzorganisation tun wir aktiv was in unserer Macht steht, um Positives für unsere Umwelt und Gesellschaft zu bewirken. Zugleich wollen wir die Lage nicht irrational beschönigen und offensichtliche Tatsachen ignorieren.
Notiz: Die hier erwähnten wissenschaftlichen Fakten sind im Werk „Das Mittelmeer“ nachzulesen:
Hofrichter Robert (Ed.), 2020: Das Mittelmeer – Geschichte und Zukunft eines ökologisch sensiblen Raums. Springer Spektrum, Heidelberg, approx. 1,300 pages. https://www.springer.com/de/book/9783662589281, ISBN 978-3-662-58929-8
Vielen Menschen fällt es nicht besonders auf, weil sie mit anderen Dingen beschäftigt sind: Im 20. Jahrhundert und in den ersten zwei Dekaden des neuen Milleniums (vor unseren Augen also) sind unzählige wildlebende Arten ausgestorben, andere stehen kurz davor. Manche Medien sprachen gar von “über 50 % aller wildlebenden Tierarten“. Solche Angaben sind problematisch, denn erstens kennen wir die genaue Zahl der Arten nicht, zweitens ist eine exakte Quantifizierung nahezu unmöglich. Dennoch zweifelt kein Experte daran, dass gerade ein Massenaussterben vor sich geht. Dieser Prozess beschleunigt sich sogar noch. Seit langem warnt die Wissenschaft davor, dass der Klimawandel nicht das einzige Megaproblem der Menschheit ist, der Verlust der Biodiversität ist es mindestens genauso. Und hinter all dem steckt die Überbevölkerung der Erde und der verschwenderische Lebensstil der Menschen.
Wir befinden uns längst in der sechsten großen Aussterbewelle der Geschichte. „Big six“ nennen es die Experten. Ist es für den weiteren Lauf der Dinge egal, ob es Pinguine, Nashörner, Wale und Tiger gibt? Die Welt wird sich auch ohne sie weiterdrehen. Doch irgendwann beginnt es eine Rolle zu spielen. Ohne andere Arten, die uns unterstützen, wird es auch keine Kartoffeln, Erdbeeren und Äpfel geben. Ohne Insekten, Bodenorganismen, Pilze und andere sind wir als Menschheit nicht überlebensfähig. Dass wir auch ohne Artenvielfalt wie bisher überleben werden, ist wie so vieles mehr in unserem Leben eine Illusion, ein Trugschluss, vielleicht ein Wunschdenken. Vielfach aber auch Bequemlichkeit, Ignoranz oder bloß Dummheit.
Fünf massive Aussterbewellen waren uns bisher aus der Erdgeschichte bekannt. Das Aussterben von Arten ist somit keine ungewöhnliche Ausnahmeerscheinung, sondern die Regel. Es würde von großer Überheblichkeit zeugen sich einzubilden, unserer Art könne es nicht passieren.
Die „Gärten des Grauens“ sind ein kleines Beispiel für große Negativentwicklungen: Das Artensterben ist eine nicht zu leugnende traurige Tatsache der heutigen Zeit. Wie aber könnten wir bei 8 Milliarden menschlichen Erdbewohnern etwas Anderes erwarten als das, was gegenwärtig vor sich geht? Und das bei der Einstellung, die viele Menschen gerade auch in unseren reichen Ländern zur natürlichen Umwelt haben? Steinwüsten statt Natur erobern die Vorgärten. Wenn irgendwo Natur (etwa Moos, „Unkraut“, ein Insekt) auftaucht, wird sie sofort niedergemacht, vernichtet, und sei es mit Giften. Erkennen Sie in Zeiten des Klimawandels einen Sinn in den Stein- und Betongärten? Da ist alles tot (man beteiligt sich somit selbst an der Vernichtung von Biodiversität), außerdem heizen sie sich an heißen Tagen, von denen es immer mehr gibt, wie ein Backofen auf – widersinnig in der Zeit der Erderwärmung. (Fotos Peter Janovicek und NABU)
Wie dramatisch kann ein Massenaussterben sein? Wie dramatisch könnte es jetzt ausfallen?
Das zeigt uns das größte Massenaussterben seit der großen Entfaltung des Lebens im Kambrium vor 540 Mio. Jahren: das sognannte Perm-Trias-Ereignis vor 252 Mio. Jahren – auch als PT-Grenze bezeichnet, der Übergang vom Erdaltertum zum Erdmittelalter. 75 Prozent der Landfauna ist ausgestorben, noch dramatisch war es im Weltmeer, denn bis zu 95 % der marinen Wirbellosen verschwanden.
Der breiten Öffentlichkeit besser bekannt dürfte das Aussterbeereignis an der Kreide-Paläogen-Grenze vor 66 Mio. Jahren sein (K-P-Grenze, früher Kreide-Tertiär-Grenze oder K/T-Grenze genannt). Damals starb ein großer Teil der Dinosaurier aus.
Die „Big five“, die fünf großen Aussterbewellen der Erdgeschichte, hatten natürliche Ursachen (Einschlag von Himmelskörpern, Vulkanausbrüche, Veränderungen der Atmosphäre u.a.), waren also selbstverständlich nicht menschengemacht. Menschen hat es ja noch längst keine gegeben und auch noch nicht ihre unmittelbaren Vorfahren. Diese Erkenntnis verleitet viele Menschen zu einem massiven Trugschluss: Sie wollen nicht wahrhaben, dass das heutige Artensterben anders ist, nämlich menschengemacht. Wie auch der sich rasant entwickelnde Klimawandel mit seinen Kipppunkten.
Warum unsere Naturschutzorganisation MareMundi glaubt, dass die überbevölkerte Erde zusammen mit unserem verschwenderischen Lebensstil alle anderen Probleme antreiben? Weil es eine einfache mathematische Formel ist, eine (vereinfachte Form) der sogenannten ökologischen Grundformel. Die beiden wesentlichen Faktoren Bevölkerungszahl und Lebensstil wurden in den 1990ern unter dem Akronym IPAT (Impact = Population × Affluence × Technology) als erweiterte Form dieser elementaren Gesetzmäßigkeit publiziert. Dabei wurde ein weiterer wesentlicher Faktor berücksichtigt, der zu Hilfe genommene technologische Standard. Manche Wissenschaftler und viele von uns hoffen darauf, dass der technische Fortschritt viele unserer Probleme lösen kann. Die Vision: Bei optimierter Technik (Wert geht gegen null) könnten sowohl die Anzahl der Menschen als auch der Wohlstand stark wachsen, ohne die Umwelt zu gefährden. Technologische Fortschritte und umweltfreundliche Technik haben tatsächlich geholfen manche Probleme in den Griff zu bekommen (Beispiel: Rückgang des Waldsterbens durch Reduktion des Schwefelgehalts in Treibstoffen). Doch ist aus der Gleichung ersichtlich, dass eine zu hohe Anzahl der Menschen und ein zu verschwenderischer Lebensstil nicht durch den technologischen Fortschritt abgefedert werden können. Bei manchen der Probleme können wir es mit Recht annehmen, etwa beim Verlust natürlicher Lebensräume (Wildnis) und Verlust an Biodiversität und der Artenvielfalt. Diesen Verlust kann keine Technologie wieder gutmachen. Ein übertriebener Glaube an die Technik kann bloß ein bequemer Glaubenssatz sein, der es uns ermöglichen soll, nicht allzu intensiv über die Dringlichkeit der Umweltprobleme nachdenken zu müssen. Aus Hofrichter, 2020.
Warum wollen wir den Tatsachen nicht in die Augen sehen?
Diese Frage ist eher leicht zu beantworten, und Pippi Langstrumpf liefert einen Teil dieser Antwort: „Ich mach’ mir die Welt Widdewidde wie sie mir gefällt“. Es ist nur allzu menschlich, dass wir uns in der Regel ein Leben wünschen, in dem die Dinge immer so weiter gehen, wie wir es kennen und lieben (ja keine Teuerung des Schweinsbratens und der Treibstoffe). Das gilt zumindest für die Wohlstandsgesellschaft des Westens.
Niemand wünscht sich dramatische, negative Veränderungen, Verluste, Reduktion, eine Verschlechterung des Lebensstandards. Auch wir nicht: Dass wir darüber schreiben und davor warnen, hängt nicht damit zusammen, dass wir uns als Weltuntergangspropheten Negatives wünschen. Vielmehr müssen wir davor warnen, weil alle Fakten, Beobachtungen, eigene Erfahrungen und wissenschaftliche Erkenntnisse in diese eine Richtung zeigen. Übrigens genauso wie beim Klimawandel. Wir erleben es, sehen und hören es jeden Tag und hoffen, dass alles so weitergehen wird, wie es in unserem Leben früher war.
Zusätzlich sind wir täglich mit so vielen Katastrophen konfrontiert, dass wir es leid sind uns damit zu befassen. Wir wollen ganz normal und gut leben. Wirtschaft und Politik suggerieren uns, dass alles nur mit weiterem Wachstum gut oder besser wird. Sie nehmen „Verzicht“ oder „Reduktion“ selten in den Mund. Wenn einmal doch, bleibt es bei Lippenbekenntnissen und es kommt kaum zu erforderlichen Veränderungen. Diese sind aber viel zu langsam bei der gegenwärtigen Geschwindigkeit der negativen Trends.
Die globalen Entwicklungen werden allerdings weitergehen, ob wir wollen oder nicht. Weder der Klimawandel, der seine Kipppunkte genau in diesen Jahrzehnten erreicht noch das Artensterben bleiben stehen, weil uns Politik und Wirtschaft vom Wachstum erzählen, weil wir uns keine negativen Meldungen wünschen und von Veränderungen (vor allem Verzicht auf etwas von unserem übertriebenen Komfort) nichts hören wollen.
Fakten zu leugnen oder beschönigen ist weder rational noch hilft es uns weiter. Manche werfen uns Kulturpessimismus vor, doch wir sehen es als berechtigte Sorge um die Zukunft. Es ist bis zu einem gewissen Grad verständlich, dass viele eher dem US-amerikanischen Harvard-Professor Steven Pinker und seinem vielbeachteten Buch „Aufklärung jetzt“ (Enlightenment now) folgen. Dieser Bestseller stellt die „Schlüssel-Idee“ des Autors vor, nämlich dass, „Umweltprobleme, genau wie andere Probleme, lösbar sind, wenn man über das dazu erforderliche Wissen verfügt“. Es fehlt uns aber weniger an Wissen als an Weisheit und Empathie. Der Verlust der Biodiversität, der massive Verlust von Arten und primären Lebensräumen (Wildnis), den wir überall beobachten und der unbestritten ist, wird in Pinkers Buch kaum thematisiert. Die technische Machbarkeit von so gut wie allem, die in Aussicht gestellte stets aufwärts gerichtete Prognose der Entwicklungen verleitet viele Menschen und die Medien dazu, den heutigen Ernst der Lage zu verharmlosen. Es ist wohl kein Zufall, dass Vertreter der höchsten Kreise aus Wirtschaft, der Hochfinanz und der Politik über Pinkers Thesen begeistert waren: Gute Geschäfte würden ungebremst weitergehen! Übermäßige Zurückhaltung und ein bescheidenerer Lebensstil seien nicht erforderlich.
Die logische Frage würde lauten: Wieso will man nicht glauben, dass Überbevölkerung hinter den Problemen des Planeten steht? Die Abbildung zeigt das exponentielle Wachstum der Weltbevölkerung in den letzten 200 Jahren, wobei wir jetzt knapp vor 8 Milliarden stehen. Nach Prognosen wird die Bevölkerung in Afrika mit Abstand weltweit am schnellsten wachsen (Verdoppelung in nur 25 Jahren!). Zugleich werden auch die Lebensbedingungen der Menschen mit den Kipppunkten des Klimawandels schlechter: Armut, politische Instabilität, Kriege und Terrorismus sind nur einige Faktoren. Weitere sind der Ausverkauf von afrikanischen Ländern an andere Staaten und Investoren, Hitze, Waldbrände, Desertifikation, Dürren und der bedrohliche Wassermangel. Migrationsbewegungen sind unter solchen Bedingungen unausweichlich. Doch nicht nur afrikanischen Ländern droht Wassermangel: Nach Schätzungen der UN-Organisation Plan Bleu könnte die Zahl der wasserarmen mediterranen Bevölkerung, also Menschen, denen pro Jahr weniger als 1 000 m³ Wasser zur Verfügung stehen, bis zum Jahr 2025 auf 250 Mio. ansteigen. Nach Stiftung Weltbevölkerung, abgerufen 2019, aus Hofrichter, 2020.
Kulturoptimisten, Steven Pinker und ihr Glaubens(haupt)satz
- Die Behauptung von Kulturoptimisten wie Pinker, dass alle Probleme technisch lösbar sind, ist nichts mehr als ein Glaubenssatz, den man hinterfragen muss. Der Versuch, einen Glaubenssatz mit Daten zu belegen, ist von vornherein zum Scheitern verurteilt. Dieser Glaube widerspricht der Lebenserfahrung von tausenden Generationen, auch unserer eigenen.
- Der Glaubenssatz führt zur Akzeptanz unberechenbarer Risiken, da eine künftige Lösung aller Probleme außer Frage steht.
- Um seinen Glauben zu bestätigen bzw. um Zweifler mundtot zu machen, präsentiert Pinker unvollständige (Demographie) oder auch falsche Daten (Artensterben).
Steven Pinker sieht in der Forderung nach einem vorübergehenden oder gar endgültigen Verzicht auf eine zukünftige unbegrenzte Verfügbarkeit von Energie oder anderen Ressourcen eine fortschritts- und damit menschenfeindliche Einstellung und diffamiert „Andersgläubige“ („Untergangsprophetismus der Romantik“, „Grünismus“; dem setzt er den „Optimismus der Aufklärung“ entgegen).
Warum tun wir uns die Mühe an?
Es ist die ureigenste Aufgabe einer Naturschutzorganisation darauf hinzuweisen, das Menschheit von der Natur bereits mehr Leistungen beansprucht hat, als das Ökosystem Erde bereitstellen kann. Wir haben hier einige herausgepickte Beispiele für beunruhigende Entwicklungen wie Überbevölkerung, Klimawandel und Artensterben angeführt. Die Gesamtheit aller Negativfaktoren kann zu einem ökologischen und dann auch gesellschaftlichen perfect storm führen, dessen Auswirkungen mehr sind als die Summe der isoliert stehenden Negativfaktoren. Wir zehren von den Vorräten der Zukunft und vernichten unwiederbringliches Naturkapital. Uns damit offen auseinanderzusetzen, halten wir für den einzig ethisch vertretbaren Weg, als Privatpersonen und als NGO. Wir müssen Anregungen liefern für gemeinsames Handeln. Wir brauchen Visionen mit Zukunftspotenzial! Und, wir müssen als Menschheit mit acht Milliarden mehr zusammenhalten. Denn „jeder Versuch eines Einzelnen, für sich zu lösen, was alle angeht, muss scheitern“, wie Friedrich Reinhold Dürrenmatt in „Die Physiker“ formuliert hat.
Wir vertrauen Jørgen Randers mehr als Steven Pinker. „Abwarten und sehen, wie es sich entwickelt“ ist nach Ansicht von Randers moralisch nicht vertretbar. Wesentlich realitätsnaher erscheint uns die Erkenntnis des berühmten Wissenschaftlers und Zukunftsprognostikers, dass die reichsten 10 % der Menschheit dafür aufkommen sollten, „eine beschleunigte Lösung zu finden, sowohl für das Klimaproblem, als auch für all die anderen Herausforderungen auf dem Weg zu globaler Nachhaltigkeit“.
Warum eigentlich leugnen, dass Überbevölkerung eines der massivsten ökologischen Probleme darstellt? Weil es schwer lösbar ist? Weil einige Regime das Argument der Überbevölkerung für böse Zwecke missbraucht haben? Das ändert allerdings nichts am Wahrheitsgehalt der Grundaussage. 2020 formulierte Sir David Attenborough es so: „… humans have overrun the planet“. Plastik zur Überbevölkerung im Neanderthal-Museum in Mettmann. Foto: Fährtenleser, CC0, via Wikimedia Commons
Die Welt ist wie sie ist, nur von unseren Bemühungen hängt es ab, ob sie besser wird
Pippi Langstrumpf macht sich die Welt wie sie ihr gefällt. Das machen wir vielleicht auch in unserem Garten oder Haus. Doch bei den großen Fragen der Menschheit und Zukunft ist es leider nicht möglich und so wird es nicht laufen. Hier sind wir mit Realitäten konfrontiert, die von einer Weltbevölkerung von 8 Milliarden Menschen erzeugt werden, von ihren Staaten, Gesellschaften, ihrer Wirtschaft, ihrem Transport, ihren Giften, Abfällen und Abwässern, von ihrem Plastik usw., während in einem Jahrhundert beträchtliche Teile der Biodiversität verschwunden sind und beschleunigt weiterhin verschwinden. “trallari trallahey tralla hoppsasa“ wie im Kinderbuch und andere Träumereien bringen uns nicht weiter. Wenn wir die Augen von der Realität verschließen und diese leugnen, würde sich nichts von den großen Krisen wie menschengemachter Klimawandel und Artensterben zum Besseren wenden. Wir müssen die Fakten erstens kennen, die Tatsachen, diesen Jetztzustand als Realität anerkennen und akzeptieren und zweitens entsprechende Schritte setzen, die das Potenzial haben Verbesserungen herbeizurufen. Zu den Fakten zählt, dass zu viele Menschen auf der Erde sind (vor nur 200 Jahren war es nur eine Milliarde) und die Überbevölkerung, zusammen mit einigen weiteren treibenden Kräften der auslösende Faktor von massiven Umweltschäden ist. Mehr Menschen verbrauchen mehr und hinterlassen mehr Abfall. Wir bleiben daher bei unserem in „Das Mittelmeer“ veröffentlichten These, dass ein Rückgang der Weltbevölkerung ein Segen für die Zukunftsaussichten künftiger Generationen und der Mitbewohner des Planeten wären.
Plakat zu einer Kampagne zum Them Überbevölkerung: Es soll zeigen, dass es vernünftig ist nur soviel Kinder in die Welt zu setzen, wie man auch menschenwürdig erziehen und ernähren kann. Allein die Bevölkerung Afrikas könnte sich in den nächsten 25 Jahren verdoppeln. Foto Wikipedia
Aber wie können wir auf das Megaproblem Überbevölkerung reagieren?
Natürlich nehmen wir uns als Verein MareMundi nicht heraus unseren Mitmenschen vorzuschreiben wie viele Kinder sie in Zukunft bekommen sollen. Doch müssen wir uns dieser globalen Problematik bewusst sein und können sie nicht ignorieren, weil sie unangenehm ist.
Es gibt sehr wohl Einflussmöglichkeiten auf die hohen Geburtenraten in den Entwicklungsländern, die aber nicht kurzfristig greifen und nicht einfach umzusetzen sind, wie uns unter anderem auch die jüngste Geschichte zeigt. Das sind Bildung und ein selbstbestimmtes Leben ganz besonders auch für Frauen. Es fehlt ein funktionierendes Gesundheitssystem, denn paradoxerweise ist die hohe Kindersterblichkeit in diesen Ländern (neben der Tradition) einer der Gründe für hohe Geburtenraten. Die Armut im Globalen Süden ist ein weiterer Grund, denn wenn es den Menschen schlecht geht, sehen sie in den vielen Nachkommen eine Art Zukunftsabsicherung.
Auf die Entwicklung der Weltbevölkerung hat keiner von uns einen direkten Einfluss. Was jeder von uns tun kann ist die Folgen der Überbevölkerung in unseren Ländern einzudämmen, den eigenen schädlichen ökologischen Fußabdruck so gut es geht zu reduzieren. Das heißt einen ressourcenschonenderen Lebensstil auf allen Ebenen anzustreben und das Artensterben mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln eindämmen.
Ein gesünderes, zufriedeneres und glücklicheres Leben auf diesem Planeten ist ohne immer mehr Konsum und Wirtschaftswachstum nicht nur möglich, es ist der einzige Weg unumkehrbare ökologische Kipppunkte der weiteren Negativentwicklung zu verhindern.
Vieles ist nicht mehr rückgängig zu machen und vieles werden wir nicht mehr aufhalten können, aber wir können auch vieles noch retten und die Natur hat schon sehr oft eine unglaubliche Regenerationskraft gezeigt.
Eine mediterrane Mönchsrobbe (Monachus monachus) als Symbol einer aussterbenden Art. Einst waren diese Hundsrobben überall im Mittelmeerraum weit verbreitet. Bereits die Neandertaler haben sie gejagt. Heute gibt es nur noch wenige hundert Exemplare. Foto Max Wagner
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Literatur • Barnosky AD (2011) Has the Earths sixth mass extinction already arrived? Nature, 471, 51 • Hull PM (2015) Rarity in mass extinctions and the future of ecosystems. Nature, 528, 345 • Johnson CN (2017) Biodiversity losses and conservation Responses in the Anthropocene. Science, 356, 270 • Randers J (2012) 2052. Der neue Bericht an den Club of Rome. Eine globale Prognose für die nächsten 40 Jahre. Oekom, München • Steffen W (2015) Planetary boundaries: Guiding human development on a changing planet. Science, 347, 736 • Pinker S (2018) Aufklärung jetzt: Für Vernunft, Wissenschaft, Humanismus und Fortschritt. Eine Verteidigung. S. Fischer
Nachtrag 12.7.2022 zu diesem Beitrag:
Süddeutsche Zeitung 11.7.2022
Bericht: Robert Hofrichter, Helmut Wipplinger
(basierend auf dem Umweltkapitel von Voll, Christian et al., in „Das Mittelmeer“, 2022, Springer)