Thomas Ederer von der FH Burgenland steht kurz vor der Fertigstellung seiner selbstgebauten Kamera / Foto: FH Burgenland

Thomas Ederer, Student im Masterstudiengang “Cloud Computing Engineering” an der FH Burgenland, entwickelt derzeit ein Unterwasserkamerasystem, das sich für die in-situ Beobachtung (also vor Ort) von Oktopussen eignet und im Rahmen des GoDeep-Projekts von MareMundi Anwendung finden soll.

Was Oktopusse genau mit Cloud Computing zu tun haben, ist auf den ersten Blick nicht unbedingt offensichtlich. Doch genau diesen Zusammenhang versucht Thomas Ederer im Rahmen seiner Masterarbeit praktisch zu verwirklichen, nämlich durch die Konzeption und Konstruktion einer einsatztauglichen Unterwasserkamera.

Schematische Darstellung des Projekts / Bild: Thomas Ederer

Die Kamera wird zusammen mit der übrigen technischen Ausrüstung vor Ort installiert. Um Übertragungsbandbreite zu sparen, wird der Videostrom in hoher Qualität an Ort und Stelle aufgezeichnet und kann zu einem späteren Zeitpunkt abgerufen werden. Ein zweites, weniger “bandbreitenhungriges” Video wird über das Internet übertragen. Dieser Videostrom wird in eine Webseite eingebettet und bietet die Möglichkeit, Beobachtungen aus der Ferne durchzuführen und auch Kameraeigenschaften (z.B. Helligkeit, Kontrast, Infrarotbeleuchtung, usw.) jederzeit zu ändern. Zu einem späteren Zeitpunkt wird es einen Service in der Cloud geben, der das Video selbstständig analysiert, interessante Teile des Videostroms extrahiert und um Information anreichert. Die Idee hinter der Einteilung in Edge-, Fog- und Cloud-Computing ist, die Menge an zu übertragenden Daten so gut es geht zu reduzieren. Das senkt den Energiebedarf und somit auch die Kosten, die für Übertragungen über weite Strecken anfallen.

Bestandteile der “OctoWatch” Kamera: Gehäuse (links) und das elektronische Innenleben / Foto: Thomas Ederer

Oktopoden gelten als besonders intelligente Tiere und sind daher für verschiedenste Forschungsbereiche von Interesse. Wolfgang Slany, Professor für Softwaretechnologie an der Technischen Universität Graz (sowie langjähriger Unterstützer von MareMundi) betreut die Masterarbeit Ederers und ist selbst seit jeher fasziniert von den achtarmigen Meerestieren, die zudem drei Herzen und neun Gehirne besitzen. Besonders ihre Fähigkeit zur Problemlösung wird von seiner Arbeitsgruppe untersucht und erforscht, mit dem Ziel aus dem Verhalten der Oktopusse Lösungen für Prozesse im digitalen Bereich abzuleiten. Mit dem Produkt seiner Masterarbeit, der OctoWatch Kamera, will Thomas Ederer diese Forschung erleichtern indem geeignete Kameras es ermöglichen, die Tiere vom Trockenen aus zu studieren anstelle von sonst sehr zeit- und arbeitsintensiven Tauchgängen. Die Übertragung des Videos über das Internet ermöglicht es forschenden Personen den Oktopussen zuzusehen, obwohl viele zig Kilometer zwischen dem Tier und der beobachtenden Person liegen.

Man muss das Rad nicht neu erfinden – oder doch?

„Selbstverständlich gibt es am Markt bereits hochtechnische Kameras, mit denen man auch in großen Tiefen filmen kann“, erklärt Ederer. Diese seien jedoch für die allermeisten Studierenden und Arbeitsgruppen finanziell außer Reichweite. Der innovative Ansatz des Studenten: auf Basis kostengünstiger, handelsüblicher Materialien (wie etwa PVC-Rohre aus dem Wasserleitungsbau) ein Kamera-System mit Gehäuse ganz nach den eigenen Anforderungen zu fertigen, angepasst an das Filmen in der Tiefe. „Die Hauptprobleme sind neben dem hohen Wasserdruck das mangelnde Licht und die Tatsache, dass die Kamera über einen langen Zeitraum unter Wasser eingesetzt werden soll, wodurch sich Mikroorganismen, Algen und andere Aufwuchs-Organismen (Bio-Fouling) ansiedeln. Dieser Belag würde ohne Gegenmaßnahmen binnen kurzer Zeit der Kamera die Sicht nehmen“, so der Student. Recherchen ergaben, dass es hierfür mehrere Möglichkeiten gibt (Scheibenwischer, Ultraschall, Kupferanstrich etc.), jedoch kommt unter den vorliegenden Bedingungen nur Licht im UV-C Spektrum in Frage. Damit wird das Sichtfenster der Kamera von außen beleuchtet und so die Entstehung eines Biofilms verhindert. Wie auch bei der Kamera, ist das übergeordnete Ziel, die kostengünstige Umsetzung. So bestehen die Gehäuse der zwei UV-C-Spots ebenfalls aus preiswerten Teilen aus dem Wasserleitungsbau. Die mit Abstand teuersten Teile (ca. 30 EUR pro Stück) sind die Sichtscheiben aus Quarzglas, da handelsübliches Glas im UV-C-Bereich nicht durchlässig ist.

UV-C Spots mit selbstgebautem Gehäuse aus Hartplastik / Foto: Thomas Ederer

Erste Tests im Neufelder See und auf der Insel Krk

Getestet wurde die Dichtheit der Gehäuse im nahegelegenen Neufelder See (bis 24 m tief) im Burgenland. Ederer’s Installation soll schließlich permanent unter Wasser bleiben und mittels Infrarotlicht (sichtbares Licht würde die Tiere möglicherweise in ihrem Verhalten beeinflussen) wertvolle Daten über die Oktopusse sammeln. Sowohl die Erkenntnisse aus seiner Arbeit sowie eine Bauanleitung möchte Ederer für künftige Forschungsprojekte „open source“ und kostenlos zur Verfügung stellen.

Forschung im Rahmen des GoDeep Projekts und Octopus Intelligence

Über das GoDeep Projekt von MareMundi wurde bereits in mehreren Blogbeiträgen ausführlich berichtet – zum Nachlesen geht’s hier.

Dabei sollen zahlreiche Untersuchungen von Mikroorganismen bis hin zu Fischen uvm. stattfinden, die durch verschiedene technische Hilfsmittel wie ROVs (ferngesteuerte Unterwasser-Fahrzeuge), einem Team von Tech-Divern, diverse Sensoren und nicht zuletzt durch Kameras realisiert werden. Wie genau die Kameras für die Oktopus-Beobachtung am Meeresgrund fixiert werden, ist noch offen. Wolfgang Slany plant derzeit am Bau künstlicher Höhlen mit bereits integrierter Kamera. Somit wäre nach dem Platzieren der Höhle nur noch auf den gewünschten Bewohner, einen Oktopus, zu warten. Natürlich sollten die gewonnen Daten und Erkenntnisse aus dem GoDeep-Projekt in Kroatiens Krusija-Kanal nicht ausschließlich zum Zweck der Wissenschaft, sondern gleichermaßen zum Schutz dieser Tiere eingesetzt werden.

MareMundi freut sich schon sehr auf die ersten Experimente vor Ort – man darf gespannt sein, welche Geheimnisse sich den Oktopoden mit dieser neuen Methode in Zukunft entlocken lassen!



Bericht: Julian Robin, Thomas Ederer
Redaktion: Julian Robin
Fotos: Thomas Ederer, FH Burgenland

Veröffentlicht am 04.04.2024