Wenn schon Fleisch essen: weniger, dafür besseres
Auf der Welt lebt ungefähr eine Milliarde Rinder. Wie viele davon dürfen grasen? Und wie viele stehen dicht an dicht in einem Stall, den Kopf zwischen Eisenstäbe gesteckt? Landwirtschaftliche Großbetriebe – Bauernhof kann man sie nicht mehr nennen – lassen einem den Appetit vergehen auf Schnitzel, Milchkaffee oder ein Frühstücksei. In diesem Artikel überlegt das MareMundi-Team, welche Aspekte von Tierprodukten und der landwirtschaftlichen Produktion allgemein ein Umweltschützer berücksichtigen sollte.
Dessen sind wir uns bewusst, und das ist auch gut so: Wir wollen nicht gedankenlos, wie Maschinen, sondern im Interesse von uns allen (und auch im Interesse der Tiere) wohl überlegt konsumieren.
Auch wollen wir nicht den Eindruck vermitteln, dass wir die beste aller erdenklichen Lösungen kennen. Weder in unserem eigenen Team noch sonst irgendwo in der Welt werden alle Menschen nur eine einzige Meinung dazu haben. Wichtig ist, dass wir ins Gespräch kommen und im Gespräch bleiben.
Übrigens: Je nach Quelle wird bis zur Hälfte aller erzeugten Lebensmitteln wieder weggeworfen. Unsere Gesellschaft, wir alle, könnten allein schon durch einen gewissenhaften Umgang mit der Ressource „Lebensmittel“ sehr viel Gutes für die globale Umwelt tun!
Kurz zusammengefasst: einige Denkanstöße
Wir wollen niemandem vorschreiben, dass man jetzt sofort und für immer zum Vegetarier oder Veganer werden muss. Aber Menschen, die Fleisch essen, sollten in Zukunft weniger davon konsumieren, und wenn, dann in Bioqualität und aus ethisch vertretbaren Quellen, welche die Umwelt weniger stark belasten.
- Gewichtige Gründe für rasch zu erfolgende Veränderungen: Klimawandel, Artensterben, das Leiden der Tiere, unsere Gesundheit und viele weitere.
- Auch unser Team weiß: CO2 ist zwar wichtig, aber nicht das alleinige Maß aller Dinge, als ob es keine anderen Probleme geben würde. Unabhängig von der Einsparung von CO2 und anderen Treibhausgasen wie Methan geht es auch darum Tierleid zu vermeiden, aggressive und giftige Spritzmittel zu verbieten und viele weitere notwendige Schritte. Alle relevanten Aspekte müssen bedacht werden. Wir sollen nicht das eine wichtige Thema gegen die anderen ausspielen.
- Generell weniger Flächenverbrauch für Mensch durch seine Landwirtschaft – die Natur und die anderen Mitbewohner brauchen mehr Platz! Allerdings ist auch klar, dass BIO-Qualität unter Umständen mehr Platz braucht als konventionelle Landwirtschaft. Und auch mehr CO2 produzieren kann. Sie sehen, einfache Lösungen gibt es nicht, wir brauchen mehr Experten, die den ökologischen Fußabdruck unserer Vorgangsweise genau berechnen. Dabei soll CO2-Einsparung nicht auf Kosten des Tierwohls gehen.
- Artenschutz ist für die Menschheit überlebenswichtig, darum muss die Überdüngung, Insektenvernichtungsmittel und andere schädliche Methoden reduziert werden.
- Auf platzsparende, intensive, biologische Landwirtschaft setzen (auch in urbanen Bereichen, eigentlich überall), z. B. vertikal Farming. Und dann ohne „Chemiekeule“.
- Man braucht ein Vielfaches an Hektar Land um Futter für Tiere zu produzieren, um anschließend deren Fleisch zu essen. Viel nachhaltiger ist es direkt die (pflanzliche) Ernte der landwirtschaftlichen Flächen zu essen.
- Es muss nicht Soja aus fernen Ländern sein für fleischlose Kost, es gibt auch heimische Alternativen.
Wer auf dem Land lebt, hat es leichter
Regelmäßig hört man in den Nachrichten, dass Bauern protestieren gegen die niedrigen Preise, die Molkereien etc. ihnen zahlen für ihre Milch. Auch für Eier, Schlachttiere, Kartoffeln – selten bekommen Bauern einen fairen Preis für ihre Lebensmittel. Deshalb haben viele von ihnen einen Hofladen angemeldet. Andere stellen bloß ein inoffizielles Schild auf: „Kartoffeln zu verkaufen“, „Täglich frische Eier“, etc.
Wer beim Bauern einkaufen kann, lässt eine ganze Kette von Zwischenhändlern weg. Deshalb ist die Schachtel Eier aus Freilandhaltung hier oft billiger als im Supermarkt. Und der Kunde kann selber sehen, wie viel Platz die Hühner zum Scharren haben.
Weniger Menge, mehr Qualität
Fleisch zu Mittag, Wurst zu Abend – das sind zwei Fleischmahlzeiten am Tag. Wer stattdessen nur einmal Fleisch isst, entweder zu Mittag oder zu Abend, und die andere Mahlzeit vegetarisch macht, hat auf einen Schlag seinen Konsum halbiert. Und kann sich jetzt leisten, hochwertigere (d.h. teurere) Fleischwaren einzukaufen.
Genauso geht es mit Milch, Butter, Eiern: Wer die halbe Menge einkauft, kann sich Qualität leisten. Zum Beispiel Käse vom Kleinbauern, der alle seine Kühe mit Namen kennt.
Je kürzer der Weg, desto tierfreundlicher
Wie kommen die Tiere vom Stall zum Schlachthof? Lieber Leser, Sie haben die Transporter gewiss schon gesehen: Es sind Metall-Anhänger, in denen die Tiere dicht an dicht beisammenstehen ohne Nahrung oder Wasser. Im Winter ist es eiskalt, im Sommer wird es unerträglich heiß in diesen Viehtransportern. Und die Reise dauert Stunden.
Lebendtransporte über weite Strecken sind Tierquälerei. Informieren Sie sich deshalb, wo das Fleisch herkommt: Wo die Tiere gelebt haben und wo sie geschlachtet wurden. Je weniger Kilometer zwischen diesen beiden Orten liegen, desto besser. Wenn Sie einen Bauern kennen, der selbst schlachtet, oder einen Metzger, der seine Tiere aus der Region bezieht, kaufen Sie bitte dort ein.
Fisch aus verantwortungsvoller Fischerei
Beim Fisch gilt dasselbe wie beim Fleisch: Niedrigpreise sind schlecht für die Umwelt. Der billigste Fisch in der Gefrierabteilung stammt entweder aus Massentierhaltung (Massen-Aquakultur) oder wird mit Schleppnetzen gefangen. MareMundi empfiehlt: bestimmte Thunfische (neben dem Südlichen Blauflossen-Tun gelten der Rote Tun und der Großaugen-Tun als „kritisch bedroht“) komplett boykottieren, denn die Bestände müssen sich erst erholen von Jahrzehnten der Überfischung. Andere Fischarten kaufen wir, solange sie aus zertifizierter Fischerei stammen oder aus verantwortungsvoller Aquakultur. Inzwischen steht auf jeder Fischdose (oder Packung in der Tiefkühltruhe), woher die Ware stammt. Wir empfehlen, hinzuschauen.
Wild: zu besonderen Anlässen
In den meisten Wäldern Europas gehört die Jagd zum Umweltschutz: Wo Raubtiere fehlen, muss der Mensch ihre Funktion erfüllen und die Populationen von Hirsch, Reh, Hase, etc. in Grenzen halten. Sonst geriete das Ökosystem Wald aus dem Gleichgewicht, die Krautschicht würde restlos abgegrast, und auch der Anbau von Getreide etc. würde schwierig. Hasen und Rehe würden zur Plage. Und Wildschweine sowieso.
Lieber wäre es uns als Naturschutz-Organisation, wenn man die Raubtiere zurückkommen ließe, wie es in manchen Ländern schon geschieht. Aber in Gebieten, wo Wolf und Bär noch fehlen, darf sich ein umweltbewusster Mensch durchaus einmal einen Rehbraten leisten oder ein Wildragout. Zum Beispiel an Festtagen. Überhaupt wäre mehr Wild für Fleischkonsumenten sinnvoll. Mehr Bio geht in dieser Welt kaum.
Im Restaurant: Mindestens Bio, ansonsten vegetarisch
Wer essen geht, könnte doch den Kellner fragen, woher das Fleisch stammt. Stammt es aus Bio-Haltung und/oder kommt es aus der Region? Falls nein, kann man mit der Wahl eines vegetarischen Gerichts – davon gibt es in der Regel eine ganze Liste – eine klare Botschaft senden. Wenn die Gäste nach Bio-Fleisch fragen und ansonsten nur vegetarisch bestellen, wird jeder kluge Gastwirt früher oder später darauf reagieren. So kann jeder Gast dazu beitragen, dass bald nur noch Bio-Fleisch aus der Region in die Küche kommt.
Veganer Fleischersatz? Auf die Rohstoffe kommt es an.
Supermärkte und Gaststätten bieten immer mehr Fleischersatz-Produkte an, vor allem für Veganer. Diese Produkte sollen Leid vermeiden. Trotzdem sind einige davon bedenklich aus Umweltschutz-Sicht:
- Soja: Stammt meistens aus Südamerika. Dort wird Urwald abgeholzt und in Ackerfläche umgewandelt. Achten Sie deshalb bei Tofu, Sojaschnetzeln, Tempeh usw. immer auf das Herkunftsland.
- Jackfrucht: Sie wächst nur in den Tropen. Das bedeutet lange Transportwege.
Und viele weiteren Zutaten, die aus fernen Ländern kommen.
Umweltfreundlicher ist Fleischersatz aus folgenden Rohstoffen:
- Seitan: besteht aus Weizen.
- Grünkern: Dinkel, oft aus Bio-Anbau.
- Lupinenprotein
- Kichererbsen
- Linsen
Fazit: Der Einzelne kann viel bewegen
Wer sich ein Kilo Billigfleisch leisten kann, kann stattdessen ein halbes Kilo Bio-Fleisch kaufen und dazu mehr Beilagen servieren. So stimmt jeder Einzelne mit seinem Geldbeutel ab, welche Art von Landwirtschaft er unterstützen möchte: Massentierhaltung und qualvolle Lebendtransporte, oder aber artgerechte Haltung und kurze Wege. Viel diskutieren, wenig polemisieren! Für fleischlose Mahlzeiten gibt es eine riesige Auswahl an Rezepten. Und wer möchte, kann vegane Gerichte probieren. (Übrigens: Bratkartoffeln, in Rapsöl gebraten, sind auch schon vegan.) Das Team von MareMundi wünscht guten Appetit!
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Bericht: Robert Hofrichter, Christina Widmann, Julian Robin, Helmut Wipplinger
Gestaltung: Helmut Wipplinger
Foto: Maria Hofrichter