Was hat unser Lebensstil mit der Zukunft unserer Erde zu tun?

Eine lebenswerte Zukunft für uns und unsere Kinder ist uns allen wichtig. Die elementarste Voraussetzung einer solchen Zukunft ist ein lebenswerter Heimatplanet, der ökologisch nicht völlig aus den Fugen gerät. In einer Serie von Artikeln bietet die Naturschutzorganisation MareMundi ab Mai 2020 der breiten Öffentlichkeit einleuchtende Informationen für das Verständnis der globalen Umweltprobleme der Gegenwart. Schwierig macht dieses Vorhaben die Tatsache, dass das Geschehen in unserer globalisierten Welt des 21. Jahrhunderts sehr komplex ist und die Zusammenhänge für den Einzelnen kaum zu durchschauen sind. Umso verblüffender ist es, dass wir diese verwirrenden Zusammenhänge auf eine einfache „ökologische Grundrechnung“ herunterbrechen können.

Im ersten Teil der Serie widmen wir uns einem der drei entscheidenden Faktoren der „ökologischen Grundrechnung“, unserem Lebensstil. Wir alle fühlen uns angesichts der desaströsen Umweltprobleme hilflos und einer von uns unkontrollierbaren Entwicklung ausgeliefert. Auf einen den drei Faktoren der „ökologischen Grundrechnung“ haben wir jedoch großen Einfluss, und das ist unser eigener Lebensstil. In Summe von Millionen Einzellebensstilen ergibt sich doch eine wesentliche Einflussmöglichkeit auf die künftige Entwicklung. Wir alle können ganz konkret zu einer besseren ökologischen Zukunft unserer Erde beitragen. Es war ein bequemer Denkfehler, dem wir uns in den letzten Dekaden als (vor allem westliche) Konsumgesellschaft gern hingegeben haben: Irgendjemand, Staaten, Regierungen, Denker, Organisationen, eine Konferenz, die UNO oder wer auch immer würde eingreifen, „die Dinge richten“ und für eine bessere ökologische Zukunft sorgen, frei nach der neoliberalen Lesart: „Die Märkte werden alles regeln“. Diese Vorstellungen sind Trugschlüsse mit Folgen.

Am Ende dieses Beitrags finden Sie eine Buchempfehlung („Unsere Welt neu denken“). Der Untertitel lautet: „Eine Einladung“. Das trifft auch unsere Intention: Wir wollen niemanden belehren, sondern laden zum gemeinsamen Nachdenken ein.

Woher  beziehen wir unsere Informationen?

Die hier präsentierten Informationen basieren zum Großteil auf dem großen Standardwerk Das Mittelmeer[1], an dem unser Team mehrere Jahre lang intensiv gearbeitet hat. Wir haben uns die Frage gestellt, ob es möglich ist, die unzähligen Nuancen der brennenden Umweltprobleme der Gegenwart so zusammenzufassen, dass man auf überschaubarem Platz ein klares und möglichst vollständiges Bild bekommt: Was sind die Ursachen der Probleme (wir nennen sie „treibende Kräfte der Naturzerstörung“) und wie kann man sie in ein logisches System bringen. Zwar heißt unser Werk Das Mittelmeer und behandelt unser mare nostrum auf fast 1000 Seiten primär, doch gerade die letzten beiden Kapitel über Fischerei und Umwelt sind globaler Natur. Was am Mittelmeer gilt, gilt praktisch überall auf der Welt. Unsere Analyse ist daher für die Umweltprobleme einer jeden beliebigen Region anwendbar.

Wie sieht die ökologische Grundrechnung aus?

Die Grundlage unserer Überlegungen ist die so genannte „ökologische Grundrechnung“. Ihre ursprüngliche, vereinfachte Form enthielt die beiden wesentlichen Faktoren Bevölkerungszahl und Lebensstil. Doch damit war die Formel noch nicht wirklich vollständig. Eine ergänzte Form unter dem Akronym IPAT (Impact = Population × Affluence × Technology) wurde daher schon vor Jahrzehnten entwickelt. Dabei wurde auch der wesentliche technologische Standard berücksichtigt. Die Vision vieler Wissenschaftler war und ist immer noch: Bei optimierter Technik könnten sowohl die Anzahl der Menschen als auch der Wohlstand (Lebensstil) weiterwachsen, ohne die Umwelt massiv zu gefährden. Technologische Fortschritte und umweltfreundliche Technik haben tatsächlich geholfen, manche Probleme in den Griff zu bekommen: Ein Beispiel unter vielen ist der Rückgang des Waldsterbens durch Reduktion des Schwefelgehalts in Treibstoffen in den 1980er Jahren.

Die Grundlage unserer Überlegungen ist die so genannte „ökologische Grundrechnung“

Kann eine einfache Formel wie diese bei der Bewältigung von Umweltproblemen helfen? Sie führt einerseits ganz wesentlich zu einem besseren Verständnis der großen ökologischen Zusammenhänge, andererseits hilft sie Gesellschaften bei der Beurteilung von nachhaltigen Entwicklungen. Bewusst beginnen wir unsere Analyse mit dem mittleren Faktor dieser Grafik, unserem eigenen Lebensstil, denn auf ihn haben wir einen unmittelbaren Einfluss. Schon morgen können wir bestimmte Konsumgewohnheiten und unser Verhalten anpassen – mit schnell einsetzenden positiven Auswirkungen auf unsere Umwelt. Die Covid 19 – Krise im Frühjahr 2020 machte deutlich, wie schnell sich durch den Lockdown manche Umweltfaktoren verbesserten. Weniger Lärm, eine viel bessere Luft, die Natur hatte eine kurze Verschnaufpause. Wale, Delfine und Haie kamen im Mittelmeer zur Küste und sogar in Häfen zurück. Natürlich können die Staaten der Welt nicht dauerhaft auf Lockdown schalten, aber weniger Verkehr, weniger unnötiger Konsum und eine ganze Reihe von weiteren Adaptierungen sind für uns alle durchaus möglich. Die anderen beiden Faktoren sind komplexer und entziehen sich unserem unmittelbaren und sofortigen Einfluss. Ihnen werden wir uns in den weiteren Folgen widmen.  Die Illustrationen in diesem Beitrag stammen aus „Das Mittelmeer“ (2020) und stammen von Martin Gregus (martingregus.com) und Christoph Volker.

Viele von uns hoffen darauf, dass der technische Fortschritt unsere Probleme lösen kann. Aus der Gleichung ist jedoch ersichtlich, dass ein zu verschwenderischer Lebensstil und eine zu hohe Anzahl von Menschen nicht durch technologischen Fortschritt abgefedert werden können. Bei manchen der schwerwiegendsten Umweltproblemen – etwa beim Verlust natürlicher Lebensräume (Wildnis) und Verlust an Biodiversität und der Artenvielfalt – können wir mit Recht annehmen, dass diese Verluste keine Technologie wiedergutmachen kann. Ein übertriebener Glaube an die Macht technischer Lösungen kann bloß ein bequemer Glaubenssatz sein, der es der Wirtschaft, der Politik und auch Individuen ermöglicht, nicht allzu intensiv über die Dringlichkeit der Umweltprobleme nachdenken zu müssen. Doch die Entwicklung überrollt unsere Welt. Es hilft nichts, die Augen vor den brennendsten Problemen zu verschließen. Klimawandel und Artensterben gehören dazu.

Die wichtigste Nachricht: die Lösung der Probleme liegt nicht irgendwo außerhalb, sondern steckt in uns allen

Die Atmosphäre unserer Erde hat ein Langzeitgedächtnis. CO2 ist eine ziemlich langlebige Verbindung, die Hunderte Jahre in der Atmosphäre bleibt. Obwohl in Folge des Corona-Lockdowns in den letzten beiden Monaten gerade weniger CO2 ausgestoßen wurde als in der jüngsten Geschichte der Menschheit, hat das Observatorium Mauna Loa in Hawaii neue CO2-Rekordwerte festgestellt, die höchsten seit Beginn der Menschheitsgeschichte (418,12 ppm [2] ). Durch Eiskernbohrungen (z. B. in der Arktis) lassen sich die CO2-Konzentrationen über Jahrtausende zurückbestimmen, und so erhalten wir ein vollständiges Bild. Hawaii liegt in der Mitte des Pazifiks, doch die Messungen mit dem konstanten Aufwärtstrend werden von allen Observatorien weltweit bestätigt. Das CO2-Gas hindert die von der Erdoberfläche abgestrahlte Wärme daran, wieder ins All zu entweichen. Die Wärme bleibt wie in einem Gewächshaus auf der Erde.

In den letzten 800.000 Jahren lag der CO2-Gehalt in der Atmosphäre zwischen etwa 180 ppm in den Kaltzeiten (Glazialen) und 280 ppm in den Warmzeiten, aktuell hat man 418 ppm gemessen

Die Gegenwart finden Sie in dieser Grafik ganz rechts bei „0“. Die Y-Achse zeigt den CO2-Gehalt in der Atmosphäre in ppm (parts per million, wörtlich „Anteile pro Million“; die übliche Einheit für solche Angaben). Das angezeigte Zeitalter ist das Pleistozän oder „Eiszeitalter“. Wie Sie aus der Grafik erkennen können, lag die Schwankung mit einem klaren Muster zwischen etwa 180 ppm in den Kaltzeiten (Glazialen) und 280 ppm in den Warmzeiten (Interglazialen). Nie stieg der Wert darüber. Auch wenn es in der Erdgeschichte früher Zeiten mit viel höheren CO2-Werten in der Atmosphäre gegeben hat, ist der Anstieg der vergangenen etwa 100 Jahre der schnellste den es jemals gab (in unserer Grafik rechts bei „0“). Der Anstieg korreliert mit der Verbrennung fossi¬ler Brennstoffe, bei unverändertem Ausstoß ist ein Wert von 1 500 ppm zu erwarten.

Die „bösen Zwillinge“: Nur scheinbar entfernen wir uns kurz aus unserer Heimat

In diesem Artikel wollen wir über unseren Lebensstil reden. Doch die behandelten Umweltprobleme sind globaler Natur und wirken sich auf alles auf der Erde aus – auch auf das Weltmeer. Daher unternehmen wir einen kurzen Abstecher in den Ozean, um zu zeigen, dass unser Verhalten auch unmittelbare Folgen für ihn hat. Der in den letzten Jahrzehnten rasant angestiegene CO2-Gehalt in der Atmosphäre hat neben dem Temperaturanstieg zahlreiche direkte und indirekte Folgen für die Meere. Eine davon nennen wir Ozeanversauerung (engl. ocean acidification, OA). Erderwärmung und Ozeanversauerung – beide sind hervorgegangen aus dem Anstieg des atmosphärischen CO2-Gehalts. Forscher sprechen auch von den evil twins, den bösen Zwillingen. Das derzeit ermittelte Absinken des pH-Wertes der Ozeane von 8,2 um 0,1 Einheiten auf 8,1 stellt ein existenzbedrohendes Problem insbesondere für kalkbildende Organsimen dar – von entscheidenden planktonischen Lebensformen (ihr Schalengewicht reduziert sich) bis hin zu Korallen und Stachelhäutern. Der pH-Wert des Meerwassers lag in den letzten 25 Mio. Jahren nie unter pH 8,0. Die gemessenen und errechneten Werte der Neuzeit zeigen eine nie dagewesene Geschwindigkeit im Absinken bis zum Jahr 2100. Historische pH-Werte lassen sich mit hoher Präzision durch Isotopenbestimmung von Borverbindungen im Sediment rekonstruieren. Sämtliche moderne Untersuchungsergebnisse zeigen widerspruchsfrei, dass die Ozeanversauerung den Lebensraum Meer massiv verändern wird.

CO2 und unser Lebensstil

Es ist unmöglich, dass wir aufhören CO2 zu produzieren. Wir atmen es aus, es gehört zu unserem Leben und ist für das Ökosystem des Planeten – nicht nur die Pflanzen – lebenswichtig. Doch zuviel davon verändert die Erde grundlegend und wirkt lebensbedrohlich.

Wie nicht anders zu erwarten, reagieren viele Menschen eher emotional als rational auf solche Nachrichten. In den sozialen Medien reicht die Skala von verständlichen, aber unbegründeten Hoffnungsäußerungen (… wird schon nicht so schlimm kommen …) und Enttäuschung (… das ist nicht aufbauend, wenn man bedenkt, dass auch jetzt während dem Corona-Lockdown, kaum Flüge und weniger Autofahren auch nichts hilft…) bis zur Resignation (…ich denke nicht, dass das noch aufgehalten werden kann, egal wieviel CO2 wir jetzt einsparen oder nicht…). Viele Kommentare sind aber auch sachlich-realistisch (… wir haben die tipping points überschritten und es läuft nun schon ohne uns weiter, dann wäre auch eine Null-emission nicht ausreichend, sondern wir brauchen eine negative). Viele Menschen mit naturwissenschaftlicher Vorbildung erkennen die wesentlichen Punkte in aller Deutlichkeit, und das schon seit langem, Aspekte wie „die Folgen der Regenwaldrodungen und -brände, die erheblichen Auswirkungen der Massentierhaltung und der desaströsen Landwirtschaft, das Auftauen der Permafrostböden mit einer enormen Wirkung“ und viele andere. Die Erklärungen der Naturwissenschaftler sind keine Verschwörungstheorien sondern Fakten: „In Anbetracht der massiven Verbrennung fossiler Energieträger haben wir den mit Abstand höchsten CO2-Wert der letzten 800.000 Jahre herbeigeführt“.

Ideologien und „Das hat es schon immer gegeben“

Dieser Satz ist häufig zu hören, wenn „Klimaleugner“ darauf verweisen, dass der atmosphärische CO2-Gehalt schon häufiger viel höher lag als heute. Das stimmt zwar ganz sicher, ist aber dennoch nur die halbe Wahrheit. Denn die Faktoren Zeit und Geschwindigkeit sind entscheidend, um die Problematik der Erderwärmung und Ozeanversauerung richtig beurteilen zu können.

Die präzise ermittelten Änderungen des CO2-Gehalts in der Atmosphäre und des pH-Wertes in den Ozeanen haben sich in langen geologischen Zeiträumen abgespielt. So stand dem Ökosystem Erde und dem Meer genügend Zeit zur Verfügung, auf die veränderten Umweltbedingungen durch evolutionäre Adaptationen zu reagieren. Die Erde hat tatsächlich Mechanismen um auf Veränderungen zu reagieren, doch diese funktionieren in Zeitrahmen von hunderttausenden Jahren. In der Erdgeschichte gibt es keinen Hinweis für einen vergleichbar schnellen CO2-Anstieg in der Atmosphäre wie in der Gegenwart. Den Regulationsmechanismen zur Wiederherstellung der Carbonatkonzentration im Meer fehlt schlicht die Zeit.

Im Kambrium (vor etwa 500 Mio. Jahren) lag der CO2-Gehalt der Atmosphäre bei 4 000–6 000 ppm, in der heutigen Zeit bei „nur“ bei über 400 ppm. Soll oder darf man auf Basis solcher Zahlen den Anstieg der CO2-Konzentration verharmlosen? Bei einer derartigen Argumentation wird wie schon betont Folgendes unterschlagen: Für die Entwicklungen in Atmosphäre und Ozeanen ist die Geschwindigkeit entscheidend, mit der sich Veränderungen eingestellt haben. In der Erdgeschichte ist dies in geologischen Zeiträumen von Millionen von Jahren geschehen – ganz anders als die heutigen Veränderungen (sehen Sie bitte noch einmal die Grafik an, aus der es klar ersichtlich ist), die durch die Menschheit beschleunigt in Jahrzehnten vonstatten gehen.

Die Denkfabrik adelphi zeigte jüngst in einer Studie auf, dass gerade rechtspopulistische Strömungen dazu tendieren, verharmlosend auf wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse zu reagieren. Doch es gibt keine „alternativen wissenschaftlichen Fakten“, die eine solche Verharmlosung rechtfertigen könnten. Der Austritt des weltweit zweitgrößten CO2-Emittenten aus dem Pariser Klimaschutzabkommen mag dem US-Präsidenten kurzfristig einen Stimmengewinn bei Wahlen in seinem Land erbringen, bereits mittelfristig aber ist dieser Kurs eine Sackgasse, weil den Folgen des global change kein Land und kein Mensch entkommen kann. Das Aussterben von Arten als menschenverursachtes Phänomen einzubremsen, muss Anspruch aller politischen Anstrengungen sein. Und was hat dies alles mit mir als Einzelnem zu tun? Ganz einfach: Es ist die Verantwortung von jedem Einzelnen von uns, die Maßlosigkeit unserer Wohlstandsgesellschaft als ein zentrales Übel zu erkennen und unser Konsumverhalten anzupassen.

Eine kleine Rechenübung: Was bedeutet das für mich persönlich?

Die bisherigen Ausführungen waren theoretisch-wissenschaftlicher Natur. Sie waren aber unerlässlich, um ein Basiswissen für weitere Diskussionen zu erlangen. Nun können wir konkret überlegen, was dies mit unserem Lebensstil zu tun hat.

Die Corona-Krise hat uns deutlich vor Augen geführt, welche Herausforderungen vor uns liegen, um das von der EU mitratifizierten Pariser Klimaziel [3] von max. + 2 °C Erderwärmung nicht zu überschreiten. Alle Wirtschaftsbereiche vom Verkehr bis zum Hochofen wurden weltweit drastisch heruntergefahren. Die momentanen Hochrechnungen gehen in diesem Jahr von einer weltweiten CO2-Reduktion von 5 – 8 % aus. Dies ist in etwa das Ausmaß der nötigen Reduktionen pro Jahr, die im nächsten Jahrzehnt in jedem Jahr erforderlich sind, um wieder den Pfad zu den beschlossenen Klimazielen zu erreichen (für die EU minus 90 % bis 2050). Da sich niemand wünschen kann, am wenigsten die Ärmsten der Welt, die Klimaziele durch permanente Wirtschaftskrisen und  Katastrophen zu erreichen, brauchen wir einen anderen Plan: Eine bessere Welt ist möglich: fairer, ökologisch und stabiler!

Dazu braucht es eine andere Wirtschaft, eine andere Politik und andere Lebensstile, wobei letztere für die industrialisierten Länder vor allem einen deutlich reduzierten „ökologischen“ Fußabdruck voraussetzt.

Diese Erkenntnis ist der erste Schritt. Zahlen können uns deutlich machen, wie dramatisch die Situation und wie unverantwortlich jede Verharmlosung ist. Wenn es Sie interessiert, wo Sie mit Ihrer CO2-Bilanz stehen und Sie es genau wissen wollen: Versuchen Sie sämtliche Ausgaben zusammenzurechnen, welche direkt mit Treibhausgasen zusammenhängen, also:

  • die Strom-Gas-Kohlerechnung (mit Ausnahme erneuerbarer Quellen)
  • den Jahresbetrag für Treibstoff an der Tankstelle, Flugkosten
  • Alle Ausgaben für Fleischeinkauf und tierische Produkte

Dann addieren Sie alle Einzelposten. Und nun überlegen Sie, künftig diese Ausgaben zu halbieren. Wie würde dann ihr Leben aussehen? Der Einfachheit halber haben wir hier den „Grauen Fußabdruck“ nicht berücksichtigt (Infrastruktur, Schulen, Krankenhäuser, Militär, etc.)

Die Ethik und der Mittelmeerraum: die Wiege der Zivilisation, die Wiege der Philosophie

Obwohl die Welt der Menschen vor 2000 oder 3000 Jahren scheinbar weniger komplex war als heute, war sie dennoch bereits komplex genug. Die alten Griechen haben als Erste versucht, allgemein gültige Gesetzmäßigkeiten dieser komplexen Welt zu erkennen und in klar formulierte Sätze zu fassen. Das war die Geburtsstunde der Philosophie. Was auch immer für ein Thema behandelt wurde, ordneten es die Philosophen einer der drei folgenden Kategorien zu: Physik (das ist das, was wir Naturgeschichte oder Naturwissenschaft nennen), Logik (die Kunst des „richtigen Denkens“) und Ethik (wie soll ich mich verhalten, damit es mir selbst und der Gesellschaft zuträglich ist). Unsere Naturschutzorganisation haben wir vor Jahren ebenso auf drei Säulen aufgebaut: Forschung, Bildung und Schutz. Erst später wurde uns bewusst – und es hat uns mit einem gewissen Stolz erfüllt –, dass diese drei Bereiche mit jenen der Philosophen „verwandt sind“: Physik oder Naturwissenschaft ist das, was wir erforschen müssen, damit wir unsere Welt besser verstehen. Bei unserem Thema „Umwelt“ ist es etwa die Klimakunde und die globale Ökologie unserer Erde. Die Logik können wir mit Bildung vergleichen – es geht uns darum, das erworbene Wissen richtig zu analysieren, seine wahre Bedeutung zu verstehen, in seinen Zusammenhängen mit anderen Dingen zu sehen und diese Einsichten mit möglichst vielen Menschen zu teilen, ganz besonders auch Jugendlichen. Die Ethik schließlich entspricht in unserem Gedankenspiel dem Schutz: Sie besagt, dass wir nicht alles tun müssen oder sollen, was wir tun können, weil es schädliche Auswirkungen auf uns selbst, auf unsere Nachkommen, auf die Gesellschaft und auf unsere Umwelt haben kann. Forschung, Bildung, Schutz!

Dieser Exkurs in die Philosophie erschien uns nützlich, um unser Anliegen zu verdeutlichen und zugleich den Faden zum Ursprung unserer Ethik aus dem Mittelmeerraum herzustellen. Diese auf Wissen und Logik basierende Ethik ist es, die uns nahelegt, dass es richtig und wichtig ist sich mit der „ökologischen Grundrechnung“ zu beschäftigen. Weil es um unser eigenes Wohl geht und das Wohl aller.

Forschung, Schutz und Bildung sind die drei Säulen der Tätigkeit von MareMundi. Fortbildung auch ganz besonders für Jugendliche, hier an unserer Feldstation auf Krk.

Einige Faktoren, die mit unserem Lebensstil zusammenhängen und die Ökologie des Planeten beeinflussen

Eine auch nur annähernd vollständige Übersicht ist an dieser Stelle aus Platzgründen nicht möglich (Das Mittelmeer bietet sehr ausführliche Informationen). Die folgenden Punkte sind eine kleine Auswahl; sie alle wirken sich massiv auf unseren ökologischen Fußabdruck aus und sind treibende Kräfte der Naturzerstörung. An manchen von ihnen sind wir alle beteiligt und bis zu einem gewissen Grad sind diese Größen unvermeidbar. Wir alle brauchen Produkte für unser Leben und müssen uns ernähren. Wir alle brauchen Wasser, und ohne Transport gibt es kein Leben. Die Frage ist: Wieviel?  Auf andere Faktoren haben wir durchaus einen wesentlichen Einfluss: Wir selbst entscheiden, was und wie wir konsumieren, wieviel und wie nachhaltig wir reisen, wie wir das Problem der übertriebenen Massen-Fleischproduktion sehen usw. Wir können bis zu einem gewissen Grad unsere Abfallmenge beeinflussen und uns mit dem Thema „Entsorgung“ befassen. Wir haben Einfluss darauf, wer an der Regierung ist und ob diese politischen Parteien tatsächlich „ökosozial“ denken und agieren oder ausschließlich neoliberal (dazu unten mehr). Wir haben durch unser Wahlverhalten Einfluss darauf, wieviel umweltschädigende Korruption stattfindet. Sie gehört weltweit zu den entscheidenden treibenden Kräften der Naturzerstörung.

  • Produktion – industrielle und sonstige
  • Landwirtschaft und Ernährung
  • Wasserbedarf bzw. Wasserverbrauch
  • Transport
  • stoffliche Belastungen der Umwelt durch terrestrische und atmosphärische Einträge, Eintrag von Schadstoffen in die Umwelt (als Nebenprodukt jeder Art Produktion, aber auch „absichtlich“ in Form von beispielsweise Pestiziden, Herbiziden und weiteren Giften)
  • unvermeidbarer Abfall
  • Entsorgung (wie werden wir die angefallenen Abfälle wieder los)
  • Land- und Forstwirtschaft
  • Korruption und Umweltkriminalität (z. B. Geschäft mit Abfällen der Konsumgesellschaft, das Outsourcen dieser Probleme
  • (Massen)Tourismus
  • Nicht-stoffliche Umweltbelastungen wie Lärm und Licht

Was können wir an unserem Lebensstil positiv ändern? Einige Beispiele, auch die „5 F“ Regel genannt:

  • Fliegen – besser nie!
    Eine dramatische Verringerung der Lebens-Flugkilometer!
  • weniger Fleisch und tierische Produkte!
    Eine deutliche Verringerung der konsumierten Menge, soviel wie möglich aus Bio-Landbau, Vergeudung vermeiden und jahreszeitgerechte Produkte bevorzugen!
  • weniger Fahren mit dem Auto!
    Eine Reduktion der zurückgelegten Strecken, langsamer, nie alleine und möglichst bald elektrisch mit Sonnenstrom!
  • Wohnen wie im Fass!
    kleiner, gut gedämmt, teilen in Wohngemeinschaften, erneuerbare  Energie, langlebige Produkte, öffentlich erreichbar!
  • Freude an einem zukunftsfähigen Lebensstil!

Genieße das gute Gefühl, nicht auf Kosten anderer zu leben! Genieße mehr Zeit, mehr

Freude, mehr Wissen, mehr Weisheit, genieße das bessere Leben!

In der komplexen Zeit voller Veränderungen, in der wir leben, geht es nicht um Gegensätze wie „mich und Dich“, „uns und sie“, wer was tun soll, muss oder darf, sondern um ein gemeinsames, neues Bewusstsein, welches die globalen Herausforderungen berücksichtigt. Gebote und Verbote reichen nicht aus. Wir müssen unsere Welt neu denken, wie ein gleichnamiger aktueller Buchtitel lautet (siehe Ende des Berichts).

  • Wir können uns besser informieren: Eine Vielzahl von Institutionen, NGOs, Initiativen und einzelnen Menschen setzen sich intensiv und auf hohem Niveau mit dem Thema Umweltschutz auseinander. Neue Forschungsergebnisse, Einsichten und Lösungsansätze werden laufend veröffentlicht. Dabei gilt es jedoch eine wachsende Gefahr unserer Zeit zu beachten: die überhandnehmende Desinformation und Falschinformation. Basieren die präsentierten Argumente wirklich auf wissenschaftlichen Quellen? Informieren Sie sich bei seriösen und bewährten Kanälen, wie auf den Webseiten etablierter NGOs und bei wirklichen Umweltexperten. Sonst können gut gemeinte Bemühungen gegenteilige, negative Folgen nach sich ziehen.
  • Geben Sie das geprüfte nützliche Wissen wohldosiert weiter!
    Ein Paradox unserer Zeit ist, dass Falschinformation sehr schnell die Runden macht. Der Grund dafür: Menschen teilen solche Inhalte – insbesondere in den sozialen Medien – schnell (oft innerhalb von Sekunden), ohne sie zu prüfen und über sie nachzudenken. Um die Menge geht es also keinesfalls, denn niemand würde Sie ernst nehmen, wenn Sie täglich mit 12 Falschnachrichten andere belasten. Doch seriöses, nützliches, von Experten stammendes Wissen, welches der Umwelt helfen kann, ist durchaus zu verbreiten – in Gesprächen im Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis und beispielsweise auch in sozialen Medien. Nur zwei kurze Beispiele: Man kann gesundes Gemüse nicht nur im eigenen Garten, sondern ganz einfach auf dem eigenen Balkon anbauen. Keine Grundnahrungsmittel sollen aus Argentinien oder Südafrika kommen. Oder: Bieten die wunderschönen Blumen auf Ihrem Balkon auch nur irgendeine Nahrung für Insekten, oder ist es eine schön aussehende Wüste ohne Nektar und Pollen, in der Bienen verhungern? Während Naturschutzorganisationen über einzelne Gefahren längst im Bilde sind, wissen breite Bevölkerungsschichten oft Jahre nichts über das Thema. Sie erkennen den Ernst der Lage nicht. Je mehr Menschen sich damit beschäftigen und die Situation verstehen, desto größer wird die Lobby der Umweltschützer. Und umso eher müssen die Politiker das konkrete Anliegen irgendwann ernst nehmen.
  • Jeder kann zur Abfallvermeidung beitragen!
    Hand aufs Herz: Wir alle leiden oft nach einem Großeinkauf und nachdem wir unsere Ware ausgepackt haben. Und staunen, was für ein Berg an Verpackungsmüll sich da angesammelt hat. Es gibt wunderbare Initiativen, die sich mit diesem Thema beschäftigen, beispielsweise zerowasteaustria.at. Weitere Möglichkeiten der Optimierung bestehen zweifellos bei uns selbst, wie im Handel und bei der Wirtschaft. Auch wenn in unserem Land vielleicht scheinbar eine gute Abfallwirtschaft praktiziert wird, sieht es unter der Oberfläche völlig anders aus: Werden Gifte in arme Länder nach Afrika verschifft? Ist unser Land, sind unsere reichen europäischen Länder ein Vorbild für ärmere Länder, oder ganz im Gegenteil?
  • Jeder von uns kann sich an Müllsammelaktionen beteiligen!
    Eine großartige Möglichkeit mit Vorbildcharakter ist es, sich an Müllsammelaktionen zu beteiligen oder einfach bei einem Spaziergang nebenbei Müll einzusammeln, egal ob im Wäldchen am Stadtrand oder im Urlaub am Strand. „Wird wieder irgendwo eine Müllsammelaktion organisiert?“, diese Frage kann sich völlig erübrigen: Wir selbst können es sein, die eine solche Aktion durchführen, allein, zu weit, mit der Familie oder in kleinen Gruppen. Das ist ein Teil der „neuen Normalität“ unserer Zeit, an die wir uns gewöhnen müssen, wenn wir in einer schönen Umwelt leben wollen. Und gesund ist Bewegung ohnehin …
  • Wir alle können zu mündigen Konsumenten werden: Beim täglichen Einkauf oder bei der Wahl unseres Urlaubszieles sollten wir verstärkt auf Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit achten. Der Plan der Unternehmen ist es, Geld mit uns zu verdienen. Daher achten sie auf die Meinung ihrer Kundschaft. Im Idealfall – wenn das Unternehmen offensichtlich Umweltanliegen berücksichtigt, sollte man es dafür loben. Wenn die Maßnahmen jedoch nur halbherzig, Camouflage (ein grünes Etikett mit „grün“ als Verkaufsstrategie, aber nichts dahinter) oder völlig unzureichend sind, sollten wir – auch öffentlich – ebenfalls darauf hinweisen. Das können wir mündlich beim Marktleiter, Hotelmanager oder schriftlich per Mail an die Zentrale oder auf den Seiten der Firmen in den sozialen Medien machen. Je mehr Unternehmen solches positives oder negatives Feedback bekommen, desto eher werden sie darauf reagieren.
  • Ohne mehr Zivilcourage keine bessere Zukunft: Zivilcourage (über gewisse Strecken gleichbedeutend mit Eigenverantwortung) gehört zu den gefragtesten Eigenschaften unserer Zeit. Das Gegenteil dazu kann man umgangssprachlich als Wursch­tig­keit bezeichnen, Gleichgültigkeit, Ignoranz. In der praktischen Umsetzung gilt es jedoch, den gesunden Spagat zwischen einem Menschen mit Zivilcourage und einem Besserwisser zu schaffen, der den ganzen Tag lang nur noch andere Menschen ermahnt. Umweltschutz braucht mehr denn je gewaltlose Zivilcourage, weil die Probleme immer zahlreicher und allgegenwärtiger werden. Wir alle können (auch gegen scheinbare Widerstände) neue Wege ausprobieren und diese auch zu gehen. Wir alle können kritische Probleme Wir alle können dazu beitragen, dass offensichtliche Gefahren für die Umwelt nicht ignoriert werden. Wir alle können mehr Zivilcourage als bisher zeigen und weniger Wursch­tig­keit nach dem Motto: „Geht mich nichts an!“. Übernehmen wir Verantwortung für unsere gemeinsame Umwelt!

Etwas Inspiration für ihre unmittelbare Umwelt

Ein Blick in die Internetauftritte verschiedener Umweltschutz-NGOs liefert sehr viele praktikable Hinweise. Auch diese sind nur als Beispiele dafür zu verstehen, dass nämlich wir selbst einen großen Einfluss auf unsere unmittelbare Umwelt haben

  • Gestalten sie Ihr Haus und ihren Garten so, dass die Ansprüche anderer Lebewesen mitberücksichtigt werden? Verwenden sie unnötig Gifte, damit der Rasen Ihren Ansprüchen entspricht? Versiegeln Sie große Flächen, die dann nicht mehr „leben“? Können bei Ihnen Lurche, Eidechsen, Vögel, Igel und Bienen überleben?
  • Artenschutz am Bau: Schwalbennester stehen unter Schutz. Die Entfernung oder Beschädigung der Schwalbennester ist grundsätzlich gesetzeswidrig.
  • Ein sehr konkretes Beispiel: Viele Gemeinden vergeben Preise für den schönsten Balkon- Was viele Menschen nicht wissen: Viele der Pflanzen sind auf eine Art hochgezüchtet, die dem Auge des menschlichen Betrachters entgegenkommt, doch Insekten verhungern lässt. Nektar und Pollen sind reduziert oder ganz weg. Bedenken Sie auch solche Aspekte?
  • „Heilige Kuh“ Rasen: Haben Sie gewusst, dass Ihre Mähroboter Tiere wie Igel töten? Schalten Sie in der Dämmerung und der Nacht Ihre Mähroboter ab.
  • Lassen Sie Totholz liegen, wo es nur geht, es bedeutet Leben. Die derzeitige Praxis der Waldwirtschaft und in Parks wirkt sich verheerend auf die Insektenwelt aus. Ohne Insekten auch keine Vögel und Fledermäuse.
  • Etwa 1/3 aller produzierten Lebensmittel werden nie gegessen. Wie steht es um unseren Respekt davor? Die damit verbundenen produktionsbedingten Schäden an Natur und Klima sind völlig ohne Nutzen!
  • Unsere Einstellung zum „Produkt“ Fleisch: Machen Sie sich manchmal Gedanken darüber, welches Tierleid (neben all dem menschlichen Leid) auf der Erde existiert? Wissen Sie, wie die Massenproduktion von Fleisch funktioniert? Woher die Futtermittel stammen und welche ökologischen Folgen dies hat? Achten Sie auf den regionalen Ursprung Ihrer Lebensmittel – und auch speziell beim Fleisch? Was wissen Sie über Tiertransporte, auch bei uns in Österreich, Deutschland, der EU?
  • Dem Wald geht es sehr schlecht. Sind Sie Waldbesitzer? Können Sie irgendeinen Einfluss darauf nehmen, wie sich die ökologische Lage weiterentwickelt?
  • Wir müssen unterschiedlich oft mit dem Auto fahren. Hier öffnet sich ein riesiger Raum für Überlegungen: Muss es sehr häufig, auch für kurze Strecken und allein im Fahrzeug sitzend sein?

All das sind nur einige ausgewählte Denkansätze. Es gäbe unzählige weitere. Wichtig ist, dass wir gemeinsam nachzudenken beginnen, wie wir glücklich und bescheidener leben können.

Unser Lebensstil, unser Wahlverhalten und ein Wort zum Neoliberalismus[4]

Dieser Beitrag von MareMundi beabsichtigt nicht, konkrete politische Richtungen und Denkweisen zu propagieren. Umweltschutz kann aber nie apolitisch sein – dann wäre er ein zahnloser Tiger, der nie etwas zum Besseren verändern könnte. In Zusammenhang mit Fragen der Zukunft und des Umweltschutzes ist es unerlässlich, die Folgen des Neoliberalismus anzusprechen und darüber nachzudenken, wie unser Wahlverhalten die ökologische Zukunft beeinflusst. Warum? Weil der Irrtum, dass Märkte alles regeln können,  ein Schlüsselphänomen unserer Zeit ist und mitverantwortlich für den Zustand, den wir haben.

Märkte können nur das regeln, was einen Preis hat. Je genauer der Preis (Kostenwahrheit) desto besser die Regelwirkung. Aber- vieles hat – und soll – keinen Preis haben:  Artenvielfalt, Klimastabilität, Freude, Zufriedenheit, das Gemeinsame (die Commons) … Märkte sind gut darin, die (meist sehr unterschiedlich verteilte) Kaufkraft zu kanalisieren. Ein Mensch mit Kaufkraft ist ein Konsument – Menschen ohne Kaufkraft, die kann der Markt nicht erfassen. So kann Soja aus Brasilien im Schweinefutter bei uns landen, während die Kinder neben dem Feld hungern. Märkte bedienen Kaufkraft und sind blind für menschliche Bedürfnisse.

Dazu kommt ein systemischer Fehler, den die neoliberale Haltung mit fast allen Wirtschaftstheorien des 19. und 20 Jh. teilt. Die Wirtschaft müsse permanent wachsen. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass die Welt bis in das dritte Drittel des 20. Jh. tatsächlich als unendlich erschien, als unerschöpfliche Quelle, mit dem hauptsächlichen Zweck, dem zivilisatorischen Fortschritt zu dienen.

In einem gewissen Sinn gleicht diese Weltsicht dem Darwinismus: Konkurrenz wird als treibende Kraft der Entwicklungen angenommen, als eine Art unveränderliches „Naturgesetz“. Die Menschen treten ab sofort entweder als Konsumenten in Erscheinung, die kaufen (die Mehrheit) oder verkaufen (eine absolute Minderheit, die in wenigen Jahren unvorstellbare Reichtümer anhäufen kann). So entsteht ein sich selbst regulierender Markt, der für jeden Fortschritt der Menschheit entscheidend sein soll. Der Markt gleicht in dieser Ideologie einer „Heiligen Kuh“: Die Politik muss alles unternehmen, um diesen Markt ungestört arbeiten zu lassen, egal ob es um die Ströme des Geldes oder der Waren geht. Steuern und Regulationsmechanismen oder gar Einschränkungen müssen minimiert werden, öffentliche Dienste werden privatisiert. Die Gesellschaft besteht aus einer „natural hierarchy of winners and losers“.

Wenn wir keine Politologen, Soziologen oder Wirtschaftswissenschaftler sind, können wir uns schwer vorstellen, was eine solche Ideologie (in den 1980ern vor allem durch Margaret Thatcher und Ronald Reagan propagiert) für die Verlierer bedeutet und auch für den Umweltschutz.

Minimalisierte Kontrolle des Staates, der gelebte Neoliberalismus, ist für die menschliche Gesellschaft und für den Naturschutz verheerend. Genau das findet sich in unserer „ökologischen Grundrechnung“: Die Tatsache, dass immer mehr Menschen, die immer mehr konsumieren und einen immer tieferen „ökologischen Fußabdruck“ hinterlassen kann durch keine denkbare Maßnahme ausgeglichen werden. Immerwährendes Wachsen der Wirtschaft als zur Ideologie erhobene Grundthese kann nicht nachhaltig sein, es kann nicht eine lebenswerte ökologische Zukunft auf unserem Planeten sicherstellen. Das Ziel der Gesellschaften muss es sein, rasch eine nachhaltigere Methodik des gemeinsamen Produzierens und Konsumierens (= Wirtschaftens) für das 21. Jahrhundert zu finden um den zerstörerischen Neoliberalismus des 20. Jahrhunderts hinter uns zu lassen. Mit dieser Ideologie lassen sich weder der Klimawandel noch das Massensterben von Arten stoppen. Entscheidende Fragen wie „Was lassen wir an Abfallstoffen in unsere Flüsse und Meere rein?“, „Wie betreiben wir unsere Landwirtschaft und welche Umweltgifte dürfen wir dabei einsetzen?“ und ähnliche dürfen nicht von wenigen Lobbys entschieden werden, die damit viel Geld verdienen. Wichtige Entscheidungen gehören bei bald 8 Milliarden Erdenbewohnern in den Gewaltbereich von Gesellschaften, Staaten und übernationalen Aufsichtsbehörden, die auf Prinzipien der Bewahrung und Nachhaltigkeit agieren.[5]

Wenn unsere Empfindungen, Reaktionen und Verhalten in Bezug auf Umweltschädigung ebenso empfindlich wahrgenommen würden wie unser Verhalten in Bezug auf Viren im Frühjahr 2020, wäre es äußerst nützlich. Waren viele von uns früher bezüglich Viren nicht eher nachlässig? Jetzt sind es die meisten in der Gesellschaft definitiv nicht mehr. Eine ähnliche Sensibilisierung in Bezug auf Umweltzerstörung wäre ein großer Schritt für die Menschheit und ein kleiner und machbarer für uns alle. Empathie ist dabei ein Schlüsselbegriff, das Mitfühlen mit dem Rest der Welt, das Mitfühlen mit all den anderen Menschen, Kreaturen, Pflanzen, Lebensräumen und Ökosystemen auf unserem Planeten.

Ausblick: Im nächsten Teil der Serie wird es um den technologischen Standard und seinen Einfluss auf die Zukunft gehen

Bleiben Sie gesund, kümmern wir uns gemeinsam um unsere schöne Erde und ihre Bewohner

Ihr

Team von MareMundi

[1] Hofrichter Robert (Hrsg.), 2020: Das Mittelmeer – Geschichte und Zukunft eines ökologisch sensiblen Raums. Springer Spektrum, Heidelberg, 1260 Seiten: https://www.springer.com/de/book/9783662589281

– komplettes Inhaltsverzeichnis des Werks: http://www.robert-hofrichter.com/2020/01/vollstandiges-inhaltsverzeichnis-von.html

– Die hier präsentierten Informationen basieren auf Kapitel 12 des Werks (Seite 960 bis 1153), welches die globalen Umweltprobleme unserer Welt zusammenfasst, nicht nur die des Mittelmeeres: Christian Voll, Gerald Blaich, Robert Hofrichter, Jan Gohla, Matthias-C. Müller, Jacek Engel, Sandra Bracun, Walter Buchinger, Walter Rottensteiner, Wolfgang Pekny, Helmut Wipplinger, Dominic Wipplinger, Stefan Haardt, Roland R. Melzer und Martin Pfannkuchen: Umweltsituation: Gefährdung und Schutz des Mittelmeeres

[2] https://www.co2.earth/co2-records

[3] https://ec.europa.eu/clima/policies/international/negotiations/paris_de

[4] https://www.theguardian.com/books/2016/apr/15/neoliberalism-ideology-problem-george-monbiot?CMP=share_btn_fb&fbclid=IwAR1PXD–EMuiU2Ko5D3W4CQdcX41mmsdyAqvuRGUtD7hON1AuCDs1IZFgg8

[5] Buchempfehlung zu diesem Thema: Göpel Maja – Unsere Welt neu denken: Eine Einladung. Ullstein, Berlin 2020, ISBN 978-3-550-20079-3



Bericht: Robert Hofrichter und das Team von MareMundi
Redaktion: Helmut Wipplinger
Fotos: aus Das Mittelmeer / Springer und Archiv MareMundi