Rotfeuerfisch (Pterois miles) vor der Südküste von Kreta / Foto: Helmut Wipplinger 

Ins Mittelmeer kommen laufend neue bzw. fremde Arten, sogenannte Neobiota. Manche fügen sich harmlos ins Ökosystem ein, andere richten Schaden an. Meeresbiologen erforschen das Phänomen – und Du kannst helfen!

Das Mittelmeer ist eines der artenreichsten Meere der Welt. Vom ebenfalls recht artenreichen indischen Ozean war es früher getrennt – seitdem es allerdings den Suezkanal gibt, können Pflanzen und Tiere in beide Richtungen wandern. Vor allem aber wandern Arten ins Mittelmeer ein, die sogenannte Lesseps’sche Migranten (benannt nach dem Erbauer des Suezkanals). Auch Schiffe bringen neue Arten aus weit entfernten Meeren mit. Man schätzt, dass sich inzwischen etwa 1000 fremde Arten im Mittelmeer angesiedelt haben. Der südöstliche Teil des Mittelmeeres ist besonders betroffen; der Großteil der eingeschleppten Arten wird hier vorgefunden. Doch ist nicht jede eingeschleppte Art invasiv! So bezeichnet man Arten erst, wenn sie Schaden anrichtet in dem Ökosystem, in das sie neu hineingekommen isindt. (Siehe auch die IUCN Database EICAT Environmental Impact Classification for Alien Taxa).

Der Rotfeuerfisch: ein giftiger Räuber

Eindeutig eine invasive Art ist der Rotfeuerfisch Pterois antennata bzw. P. miles. Dieser ursprünglich aus dem Indischen Ozean stammende Fisch ist im Roten Meer häufig, mittlerweile aber auch schon im Mittelmeer. Biologen macht er sorgen, weil der eingeschleppte Raubfisch im Mittelmeer keine natürlichen Feinde hat. Große Haie könnten den Rotfeuerfisch zwar fressen, da aber diese Meeresbewohner übermäßig gefischt (wenn nicht sogar ausgefischt) werden, fehlt dem Rotfeuerfisch die „top down control“ im Nahrungsnetz. Zusätzlich besitzt er Stacheln mit einem komplexen Giftcoctail (manche Bestandteile noch wenig untersucht) in einigen seiner Flossen, die er gerne bei Gefahr einsetzt, was ihm einen enormen Vorteil gegenüber anderen Fischen verschafft.

Was tun gegen den Eindringling? In Zypern soll das Projekt RELIONMED für Aufklärung sorgen und regelmäßige Rotfeuerfisch- Aufsammlungen organisieren. In Kroatien (am Ozean- und Fischereiinstitut) wird diskutiert, ob dieser Fisch nicht gezielt bejagt und gefischt werden soll. In den USA und der Karibik (mit der dortigen invasiven Art Pterois volitans) soll er in einigen Meeresfrüchte- Restaurants bereits nobel als Speisefisch serviert werden – da die giftigen Flossen ja nicht mitgegessen werden, sollte es kein Problem sein – jedoch gibt es diesbezüglich noch nicht ausreichend bestätigende Studien.

Der Hasenkopf- Kugelfisch: Vermehrt sich wie die Karnickel

Ein weiterer Fisch, der vom Roten Meer ins Mittelmeer gezogen ist und dort für Aufregung sorgt, ist der Hasenkopf- Kugelfisch Lagocephalus sceleratus. Er ist hauptsächlich an der türkischen Küste bzw. im Levantinischen Meer (Ost-Mittelmeerbereich) zu finden und gilt hier als eine der invasivsten Arten: L. sceleratus besitzt ein starkes Gebiss aus Zähnen und Platten, mit denen er nicht nur Krabbentiere aufbeißt sondern auch Muschelschalen. Außerdem ist er extrem giftig, sowohl für den Menschen als auch für größere Raubfische. Der Hasenkopf-Kugelfisch vermehrt sich schnell. Auch scheint er sehr anpassungsfähig zu sein: Er ernährt sich opportunistisch auch von Meerestieren die bereits in Fischernetzen gefangen sind. Die Fischerei kann das hohe Summen kosten.

Plakat aus Griechenland auf dem von dem Hasenkopf- Kugelfisch (Lagocephalus sceleratus) gewarnt wird / Foto Robert Hofrichter & Das Mittelmeer, Springer Verlag

Blinde Passagiere im Ballastwasser

Schiffe aus aller Welt kommen ins Mittelmeer. Sie bringen Fracht und Besucher, und oft genug auch fremde Arten. Zum Beispiel Muscheln und Seepocken, die sich u.a. am Schiffsrumpf angesetzt haben. Seitdem es Schiffe gibt, reisen diese Arten kostenlos um die Welt und siedeln sich in neuen Gegenden an.

Große Schiffe bringen nicht nur klebende, sondern im Ballastwasser auch frei schwimmende Arten mit. Denn große Schiffe müssen tief genug im Wasser liegen, damit sie nicht umkippen. Ist die Fracht zu leicht, nimmt das Schiff etwas Wasser als Ballast mit. Das ist die billigste Lösung. Das Ballastwasser wird einfach im Hafen angesaugt. Dabei gelangen kleine und mittlere Lebewesen mit in den Tank, zum Beispiel Plankton, Schwämme und Algen. Am Ende der Reise, in einem anderen Hafen, wird das Ballastwasser samt all diesen blinden Passagieren ausgeleert.

Monitoring und Management

Die Forschung über invasive Arten ist nur wenige Jahrzehnte jung, mittlerweile gibt es jedoch genug aussagekräftige Studien. Vor allem israelische und italienische Universitäten beschäftigen sich mit dem Thema. Biologen wollen wissen, welche Arten von wo nach wo gelangen, und wie. Das Ziel der ganzen Forschung: Herausfinden, wie wir verhindern können, dass fremde Arten ein ganzes Meer durcheinanderbringen, wie es der Rotfeuerfisch oder der  Hasenkopf-Kugelfisch tun.

Eine einfache und wirksame Monitoring-Methode für sesshfte Neobiota ist das sogenannte „SERC Protokoll“ (aus dem Englischen „Smithsonian Environmental Research Center). Im Prinzip braucht man nur eine PVC-Platte, die entlang eines Piers für einen bestimmten Zeitraum befestigt wird. Nach dieser Zeit werden die Platten heraufgeholt, und die darauf angesiedelten Organismen analysiert. Sofern entsprechende Literatur vorhanden, wird von jeder Platte eine Artenliste erstellt, klassifiziert und nicht-einheimische Arten in den jeweiligen nationalen und internationalen Datenbanken (z.B. Invasivenet) registriert.

Für größere, mobile Fauna wie Fische gibt es den sogenannten visuellen Unterwasser-Zensus. Meist auf einer Tiefe zwischen 5 und 15 m wird mithilfe eines Seils ein Transekt gelegt, und jeder Fisch innerhalb dieses Transekts wird gezählt und notiert (oder manchmal auch zusätzlich fotografiert oder gefilmt). Falls genügend Taucher vorhanden, können auch weitere Umweltparameter aufgenommen werden (z. B. Substratanalysen, Müll zählen und sammeln etc.). Auch wenn sich diese Methode in einigen Meeresschutzgebieten in Italien (Prato et al., 2017) als erfolgreich herausgestellt hat, gibt es keine daraus resultierenden Artenlisten, die eingeschleppte bzw. invasive Arten beinhalten, oder zumindest in keiner offiziellen Datenbank zu finden sind.

Was du tun kannst: Hinschauen!

Nicht nur die Unis arbeiten daran, das Mittelmeer vor Bioinvasionen zu schützen: Auch du kannst es!

Falls dir beim Tauchen, Schnorcheln oder Schwimmen ein Meeresbewohner auffällt, der dort vielleicht nicht hingehört, kannst Du diese Sichtung melden. Mach ein Foto, oder Video und schicke dies (mit deinem Namen, Datum, Ort) an z.B. die nächstgelegene Behörde, NGO (auch MareMundi kann solche Fälle registrieren, vor allem wenn sie sich auf die nördliche Adria beziehen) oder falls du in Griechenland oder Zypern unterwegs bist, melde dich bei iSea! Heutzutage sind auch Unis sehr interessiert an Citizen Science. Natürlich kannst du dich auch bei uns melden, oder bei MERAMedPan , Project Manaia oder dem Smithsonian Institute (https://www.zooniverse.org/projects/serc/invader-id/about/research)!

Im nächsten Blogeintrag werde ich weitere Beispiele nennen, wie sich eingeschleppte Arten nicht nur auf die Biodiversität, sondern auch auf die Wirtschaft und Gesellschaft auswirken können! Wir werden erfahren, was die renommierteste und erfahrenste Wissenschaftlerin im Bereich Bioinvasionen im Mittelmeer, Bela Galil dazu zu sagen hat

Hast du Fragen zu diesem Thema? Melde dich bei uns!

Anna Diem / MareMundi

viele weitere Informationen zum Thema „Neobiota“ in unserem Standardwerk “Das Mittelmeer”: Hofrichter Robert (Hrsg.), 2020: Das Mittelmeer – Geschichte und Zukunft eines ökologisch sensiblen Raums. Springer Spektrum, Heidelberg, ca. 1300 Seiten. https://www.springer.com/de/book/9783662589281,

verwendete Links

Invasive Arten: Der Sueskanal macht das Mittelmeer tropisch | MDR.DE

ReLionMed – Preventing a LIONfish invasion in the MEDiterranean through early response and targeted REmoval

GISD (iucngisd.org)

Giftige Invasoren: Feuerfische erobern das Mittelmeer | National Geographic

Pez león, el agresivo invasor que amenaza con destruir los ecosistemas del Mediterráneo – Faro de Vigo

Biological Invasions | Smithsonian Environmental Research Center

wissenschaftliche Literatur:

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Bericht: Anna Diem
Redaktion: Christina Widmann, Helmut Wipplinger
Fotos: Helmut Wipplinger und aus Das Mittelmeer (Springer)