Die Wunderwelt der Nesseltiere (Cnidaria) an der adriatischen Küste

Ein Bericht von Selina Ernst, Praktikantin am MareMundi Institut Krk (MMIK) im Frühjahr bis Sommer 2022

Quallen, Anemonen, Hydrozoen … Nesseltiere eben. Bei Badenden sind sie aufgrund ihrer oft schmerzhaften Berührungen meist gefürchtet. Und doch sind sie eine äußerst interessante Tiergruppe. Je mehr Einzelheiten man über sie herausfindet, desto mehr faszinieren sie. Bei den unzähligen Schnorchelausflügen während meines Aufenthalts bei MareMundi habe ich diese Tiergruppe für mich neu entdeckt.

Ich absolvierte im Frühjahr 2022 ein zweimonatiges Praktikum im MareMundi Institut Krk (MMIK). Zu meinen Hauptaufgaben gehörte es, die Schüler:innen während der meeresbiologischen Woche bei den Schnorchelausflügen zu begleiten und ihnen spannende Details der Unterwasserwelt zu zeigen. Nesseltiere kommen dabei schon am ersten Tag vor – und wir warnen auch vor ihnen. Zum Beispiel empfehlen wir unseren Schützlingen, im Strandbereich Wasserschuhe zu tragen, denn dort kann man leicht auf eine nesselnde Anemone treten. Wenn es dann zum Schnorcheln ins Wasser geht, fallen die bunten Anemonen sofort ins Auge.

Ein besonderer Gast in der Kvarner Bucht

Mit einer Schülergruppe haben wir dieses Jahr etwas Besonderes erlebt: Wir begegneten einer Lungenqualle (Rhizostoma pulmo). Das klingt banal, aber in der Kvarner Bucht ist diese Art selten zu sehen. Wir aber durften eines der imposanten Tiere ausgiebig betrachten. Die Lungenqualle kann einen Schirmdurchmesser von bis zu 90 cm erreichen und ist damit eine der größten Quallen im Mittelmeer. Die Nesselzellen dieser Quallenart sind für den Menschen nicht gefährlich, also haben wir die Qualle in Ruhe und ohne Furcht beobachten können. Doch was sind eigentlich Nesseltiere, wissenschaftlich Cnidaria? Was macht diese Tiergruppe aus?

Nesseltiere: Ein Magen mit Tentakeln

Es gibt ca. 11 000 Arten von Nesseltieren, und fast alle leben im Meer. Zu ihnen gehören Schirmquallen (Scyphozoa), Würfelquallen (Cubozoa), Hydrozoen (Hydrozoa) und Blumentiere (Anthozoa). Sie alle sehen unterschiedlich aus, aber sie haben einen Grund-Aufbau gemein: Sie sind alle radiärsymmetrisch und bestehen aus zwei Zellschichten, der äußeren Ektodermis und der inneren Entodermis. Diese umschließen einen flüssigkeitsgefüllten Hohlraum, der Gastralraum genannt wird und quasi den Magen der Nesseltiere darstellt. Die Nesseltiere haben bloß eine Öffnung, durch die sie Nahrung aufnehmen und die Überbleibsel wieder ausscheiden. Diese Mundöffnung ist meist von Tentakeln mit Nesselzellen umgeben. Mit ihren Nesselzellen (Cnidocyten), können sie ihre Beute, wie Zooplankton oder kleinere Fische etc., betäuben und überwältigen oder sich gegen Fressfeinde wehren. Und auch wir Menschen bekommen die Cnidocyten das ein oder andere mal zu spüren.

Nesselzellen: schnell und giftig

Die für diese Gruppe so typischen Cnidocyten sind ein interessantes Gebilde. Sie enthalten einen aufgewickelten Nesselfaden. Bei Berührung baut sich in jeder Nesselkapsel augenblicklich Druck auf, und die Zellen platzen. Dabei wird der Faden explosionsartig ausgestoßen, sticht in die Haut der Beute und kann mit einem Widerhaken dort hängenbleiben. In der Nesselzelle befinden sich außerdem mehr oder weniger starke Giftstoffe, welche Beutetiere lähmen oder töten können.

Da die Cnidocyten beim Stich platzen, können sie nur einmalig verwendet werden und müssen ständig nachwachsen. Bei unterschiedlichen Arten können die Nesselzellen recht unterschiedlich ausgebildet sein.

Ernst Haeckel, Aktinien (Kunstformen der Natur)

Erfolgreich seit Jahrmillionen

Nicht zuletzt aufgrund ihrer Cnidocyten sind die Nesseltiere seit dem Kambrium eine evolutiv besonders erfolgreiche Tiergruppe. Sie können auf ein reichhaltiges Nahrungsangebot zurückgreifen und sind sehr gut gegen Fressfeinde geschützt. Außerdem haben sie eine hohe Regenerationsfähigkeit, gehen Symbiosen mit einigen Mikroalgen ein und haben ihre Fortpflanzung gut an die Bedingungen im Meer angepasst.

Der Fortpflanzung der Nesseltiere sollte man auf jeden Fall Beachtung schenken. Charakteristisch für diese Tiergruppe ist der Generationswechsel. Denn Nesseltiere wechseln ab zwischen geschlechtlicher und ungeschlechtlicher Fortpflanzung, und nutzen dabei die Vorteile beider Möglichkeiten.

Bei den meisten Nesseltieren bildet ein erwachsener Polyp (ein in der Regel festsitzendes Entwicklungsstadium) ungeschlechtlich eine oder mehr männliche oder weibliche Medusen  (frei schwimmende Tiere). Je nach Untergruppe funktioniert dies verschieden. Die Hydrozoen trennen an der Seite ihres Polypen eine Larve ab. Schirmquallen hingegen schnüren am oberen Ende des Polypen eine Qualle ab (zoologisch korrekt Meduse, aber Qualle verstehen die meisten Menschen besser). Und bei Würfelquallen entwickelt sich der gesamte Polyp zu einer Quallenform. All diese entstandenen Formen entwickeln sich dann bis zur Geschlechtsreife, und setzen männliche oder weibliche Geschlechtszellen frei. (Bei den Blumentieren setzt keine Quallenform, genauer, die Meduse. die Geschlechtszellen frei, sondern der Polyp selbst. Die Quallenform fehlt hier komplett.)

Wenn die ausgestoßenen Geschlechtszellen der Nesseltiere aufeinandertreffen, verschmelzen sie und lassen eine Larve (Planula) entstehen. Diese Larve schwimmt in der Wassersäule, bis sie sich an festes Substrat heften kann und sich dort zu einem Polypen entwickelt. Alles in allem ein recht komplizierter Lebenszyklus für so eine einfach gebaute Tiergruppe. Nesseltiere sind also oft nicht nur festsitzend oder freischwimmend, sondern meist je nach Entwicklungsstadium eines der beiden Lebensformen, Polyp oder Meduse. Beim Schnorcheln sehen wir zum Beispiel die festsitzenden Bäumchenpolypen (Eudendriidae, die zu den Hydrozoen gehören) oder die freischwimmende Lungenqualle.

 Literatur:

  • HOFRICHTER R. (Hrsg.), 2003: Das Mittelmeer. Fauna, Flora, Ökologie. Band II: Bestimmungsführer. 890 Seiten. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg Berlin. (vollständige Übersicht sämtlicher Nesseltiere des Mittelmeeres)
  • Schuhmacher, H. & J. Hinterkircher (1996): Niedere Meerestiere: Schwämme, Korallen, Krebse, Schnecken, Seesterne und andere; Rotes Meer, Indischer Ozean, Pazifik; Bestimmungsbuch für Taucher und Schnorchler. BLV. München, Wien, Zürich.
  • Westheide, W. et al. (2013): Spezielle Zoologie, Teil 1: Einzeller und Wirbellose Tiere. Springer Verlag. 3. Auflage.


Bericht: Selina Ernst
Redaktion: Christina Widmann, Helmut Wipplinger
Fotos: Titelbild, Herbert Frei