Im Einzelfall wirkt es vielleicht wie eine Kleinigkeit, aber in Summe ist es das weltweit am häufigsten weggeworfene Abfallprodukt und eines der größten Plastikmüllprobleme: die Zigarettenfilter!
Viele Menschen glauben, dass Zigarettenfilter aus Papier, Watte oder einem ähnlichen leicht abbaubaren Material bestehen. Tatsächlich bestehen diese aus Celluloseacetat, einem thermoplastischen Biopolymer, das nicht biologisch abbaubar ist und ebenso widerstandsfähig ist wie petrolbasierte Kunststoffe.
Ein Filter besteht aus bis zu 12 000 Fasern, die miteinander im lockeren Verbund vernetzt sind. Der Zweck des Zigarettenfilters besteht darin, die im Rauch gelösten Kondensate und den Teer mechanisch zurückzuhalten. Dadurch sammelt sich im Filter ein toxisches Gemisch von bis zu 7 000 verschiedenen Chemikalien, von denen mindestens 50 als krebserregend eingestuft werden.
Zigarettenkippen sind das weltweit am häufigsten weggeworfene Abfallprodukt (nach der WHO 340 – 680 Mio. kg jährlich). Oft werden sie auch am Meer und Stränden weggeworfen. Sie stellen nicht nur ein ästhetisches Problem dar, sondern auch ein ökologisches. Die Filter bestehen aus Tausenden Fasern des Kunststoffs Celluloseacetat, deren Abbau je nach den äußeren Bedingungen 15 Jahre dauern kann (im Salzwasser jedoch noch länger). Die Hinweise mehren sich, dass diese Fasern das Packeis der Arktis erreicht haben. Forscher des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) fanden dort mehr als 12 000 (!) Mikroplastik-Teilchen pro Liter Meereis, darunter Celluloseacetat-Partikel aus Zigarettenkippen. Nach Peeken, 2018.
In einer Studie der San Diego State University aus dem Jahr 2010 wurde an zwei Fischarten, eine für Salzwasser (Atherinops affinis, Neuweltlicher Ährenfisch) und eine für Süßwasser (Pimephales promelas, Amerikanische Dickkopfelritze), die Toxizität gemessen. Dabei wurden die Fische vier Tage in Wasser gehalten, in dem zuvor Zigarettenfilter einen Tag lang eingeweicht wurden. Das Ergebnis war, dass vier bis fünf benutzte Zigarettenfilter auf den Liter ausreichten, um eine Mortalität von 50 % (LC50) zu verursachen. Bei Zigarettenfiltern mit Tabakresten genügte gerade mal eine Kippe! Nebenbei sei angemerkt, dass ein unbenutzter Zigarettenfilter ebenso toxisch ist und fünf bis 15 Filter genügen, um eine Letalität von 50 % zu bewirken.
Die Toxizität von ungebrauchten Zigarettenfiltern im Vergleich zu gebrauchten (mit und ohne Resten von Tabak), ermittelt durch den sogenannten LC50-Wert (lethal concentration) an bestimmten Versuchsorganismen wie Wasserflöhen. So wird die wirksame Konzentration einer chemischen Substanz angegeben, die für einen definierten Prozentsatz (in diesem Fall 50 %) einer Art von Lebewesen und in einer bestimmten Zeitspanne tödlich ist. EC50 – half maximal effective concentration.
Gerade Zigarettenstummel werden von einer Großzahl von Menschen gedankenlos weggeworfen. Um das in Zahlen auszudrücken: Weltweit wurden im Jahr 2002 5,6 Billionen Zigaretten geraucht und in 2009 wurde von „Litter Free Planet“ geschätzt, dass 4,5 Billionen Zigarettenfilter unsachgemäß entsorgt wurden! Dieser sorglose Umgang mit der fertig gerauchten Zigarette hat dazu geführt, dass Zigaretten und Zigarettenfilter in den Jahren 1990 – 2010 weltweit an Platz 1 des gesammelten Mülls waren, gefolgt von Plastiktüten. Das Mittelmeer wiederum ist mit den Hinterlassenschaften des Rauchens überdurchschnittlich belastet. Der teilbezogene Anteil des raucherbezogenen Abfalls (Zigarettenfilter, Kippen, Verpackungen …) am Gesamtabfall im Meer macht laut einer ICC-Kampagne 40% aus und 53,5% der zehn wichtigsten gezählten Abfälle. Im Jahr 2013 wurden im Mittelmeerraum 95 641 Zigarettenfilter durch 4 858 Freiwillige gesammelt, was einem Schnitt von 19,6 Filtern pro Sammelndem entspricht, während der weltweite Durchschnitt 2006 nur 3,66 Zigarettenfilter pro Freiwilligem betrug.
Die Tabelle zeigt die Ergebnisse eines Küstenreinigungsprogramms (International Coastal Clean-up, 2014) in acht mediterranen Ländern an insgesamt 59,2 Meilen Küste.
Daher die Bitte von MareMundi:
Wenn schon rauchen, dann bitte schlau!
Zigarettenreste nur in dafür vorgesehene Behälter entsorgen. „Fehlende Aschenbecher sind keine Ausrede für weggeworfene Zigarettenstummel. Wenn keine Aschenbecher vorhanden sind, können Taschenaschenbecher wertvolle Dienste leisten. Die sorgfältige Entsorgung der Kippen muss so selbstverständlich werden wie die Verwendung von Besteck beim Essen.
Quelle für diesen Artikel:
unser Buch
Das Mittelmeer
Geschichte und Zukunft eines ökologisch sensiblen Raums
Bericht: Robert Hofrichter / Helmut Wipplinger
Redaktion: Helmut Wipplinger
Fotos: Helmut Wipplinger
Tabellen: Das Mittelmeer, Springer Verlag