Der Mensch und das Meer

Das Meer ist ein Ort der Freiheit, der Sehnsucht und der vollkommenen Entspannung. Während der warmen Sommermonate zieht es mehr als die Hälfte aller Urlauber an die Küste, die meisten Erinnerungen an das Meer werden somit von glücklichen (Urlaubs-) Gefühlen begleitet. Aber warum fasziniert das Meer dermaßen, weshalb wirkt die unendliche Weite eines Ozeans so anziehend auf den Menschen?

Mein Name ist Filip Savic, ich studiere Sport und Spanisch auf Lehramt im schönen Münster, und es ist genau diese Begeisterung und Wertschätzung für das Meer, welche mich zu einem Praktikum bei der Meeresschutzorganisation mare-mundi bewegte.

Filip Savic

Woher die Faszination für das große Wasser stammt, ist nur teilweise erklärt und erforscht, wie das Meer selbst. Unumstritten ist jedoch, dass das Meer den Menschen über ihre subjektive Begeisterung hinaus guttut, indem es eine heilende und beruhigende Wirkung auf Körper und Geist haben kann. Folgender Bericht soll einige der positiven Aspekte des Meeres und des Wassers beleuchten, zunächst die Vorteile und Auswirkungen auf den Körper und dessen Gesundheit, ehe ein Blick auf das Innere des Menschen und seine Psyche, die durch das Meer beeinflusst werden können, vorgenommen wird.

Das Meerwasser, Algen und Schlamm (wie es ihn beispielsweise in Čižići auf der Insel Krk gibt) enthalten Stoffe, die sich positiv auf den menschlichen Organismus auswirken können. So löst das Salz des Meerwassers abgestorbene Hautschuppen, wirkt gleichzeitig entzündungshemmend und dringt tiefer in die Haut ein als etwa Badewasser, wodurch eine Mineralstoffversorgung begünstigt wird. Außerdem enthält die Meeresluft viel Feuchtigkeit und hilft dadurch gegen raue und trockene Haut. Demnach profitieren insbesondere Menschen mit Hautkrankheiten wie Akne oder Neurodermitis von einem Urlaub am Meer. Doch die Meeresluft weist neben einer hohen Feuchtigkeit ebenfalls Aerosole auf, winzige Teilchen aus Jod und Salz, welche durch die Brandung in die Atemwege gelangen, den dort angesetzten Schleim lösen und Atemwegserkrankten wie Asthmatikern das Atmen merklich vereinfachen. Weiterhin bringt auch Bewegung im Wasser in Form von Schwimmen oder Schnorcheln viele gesundheitliche Vorteile. Der erhöhte Wasserdruck bedingt eine Stärkung der Atemmuskulatur und regt die Blutzirkulation im Körper an. Zudem verbessert Wassersport die Haltung und ist gelenkschonend, wodurch er vor allem für Reha-Patienten und Sportneulinge empfehlenswert ist.

Woher die Faszination für das große Wasser stammt, ist nur teilweise erklärt und erforscht, wie das Meer selbst / Foto: Filip Savic

Besonders interessant wird die Wirkung des Meeres, wenn man sich auf die Ebene des menschlichen Geistes begibt. Das Meeresrauschen, schlagende Wellen und die scheinbare Endlosigkeit des Meeres regen den Menschen zum Phantasieren und Nachdenken an. So ist es wenig verwunderlich, dass auch die Anfänge der Philosophie im engen Bezug zum Wasser stehen. Die Wiege dessen, was wir heute unter Philosophie verstehen, liegt nur etwa 300km Luftlinie von der mare-mundi Station auf Kreta entfernt an der Westküste der heutigen Türkei. Im 6. Jahrhundert v. Chr. gehörte dieses Gebiet noch zum antiken Griechenland und war mit der Hafenstadt Miletos Heimat für Thales, der rückwirkend von Aristoteles im 4. Jahrhundert v. Chr. zum ersten Philosophen erklärt wurde. Für Thales war das Wasser Stütze und Ursprung der Welt, gleichzeitig aber auch der Ort, in welchen am Ende alles wieder versinkt. Die am Mittelmeer gelegene Stadt ermöglichte Thales Kontakt zu ausländischen Handelsleuten und dementsprechend zu anderen Sprachen, Religionen, Überzeugungen und Meinungen, wodurch die Bedeutung der eigenen Herkunft an Wichtigkeit verlor und selbstständiges Nachdenken ermöglicht und geschult wurde.

„Das Meer ist die anschauliche Gegenwart des Unendlichen“ (Zitat Karl Jaspers in „Schicksal und Wille“) Genau dieses Gefühl der Unendlichkeit des Ozeans, die einen Menschen überkommt, wenn er einen Blick über die Weiten des Meeres wirft, lässt ihn in diesem Moment selbst kleiner und weniger wichtig erscheinen, wodurch eigene Probleme nicht mehr so schwerwiegend vorkommen. Gleichzeitig ist es das Meeresrauschen, welches von negativen Gedanken und Stimmen im Kopf ablenken kann. Die unendliche und geheimnisvolle See bietet allerdings auch Stoff für grausige Geschichten von monströsen Seeungeheuern, die verstärkt im Mittelalter einen dunklen Eindruck des Meeres hinterließen und später in Romanen wie „Moby Dick“ (1851) von Herman Melville oder dem Film „Der Weiße Hai“ nach dem Drehbuch von Peter Benchley (1975) wohl ihren Höhepunkt fanden. Es scheint diese ambivalente Wahrnehmung, zwischen Entspannung und Philosophieren auf der einen, und Ungewissheit und Furcht auf der anderen Seite zu sein, welche die Faszination des Meeres ausmacht.

Auch der Psychologe Florian Schmid-Höhne setzt sich mit der Faszination des Meeres auseinander. In seinem Buch „Die Meere in uns: Eine psychologische Untersuchung über das Meer als Bedeutungsraum“ beschäftigt er sich mit den psychologischen Aspekten der Wahrnehmung und Wirkung des Meeres und stellte fest, dass das Meer den Menschen Möglichkeiten der Reflexion und Selbstwahrnehmung und durch das Gefühl der Entspannung und Ruhe einen Ausgleich zum meist stressigen Alltag bieten kann. Hierbei spielt auch die Farbe des Meeres eine große Rolle. Blau gilt nämlich als eine Farbe, die eine beruhigende Wirkung mit sich bringt. Des Weiteren lässt die auch im vorherigen Abschnitt beschriebene gefühlte Unendlichkeit des Meeres die Gedanken frei fließen, wodurch neue Ideen entstehen können und generell eine positive Stimmung herrscht. Ebenfalls trägt die gleichmäßige Brandung zur Beruhigung bei. Die Natur kann dem Menschen weiterhin als Projektionsfläche für Wünsche und Gefühle dienen. In der Psychologie wird hier von Geopsyche gesprochen. Dabei steht das Meer in Träumen und Fantasien der Menschen für das Unbewusste, wodurch Impulse und Affekte in das Meer hineinprojiziert werden können.

Überfahrt von Krk nach Plavnik / Foto: Filip Savic

Um die positiven Gefühle des Meeres mit nach Hause zu nehmen, empfiehlt es sich, Fotos, Bilder oder auch Tagebucheinträge, welche die Stimmung am Meer beschreiben, aufzuhängen oder wieder durchzulesen. Die erinnerten Gefühle haben zwar nicht dieselbe Intensität wie die tatsächlich erlebten Gefühle, allerdings können auch Erinnerungen eine angenehme Stimmung auslösen oder Gedanken, welche am Meer begonnen haben, weitergedacht werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Meer in vielen Bereichen eine positive Wirkung auf den Menschen haben kann. Demnach kann jeglicher Aufenthalt am Meer als eine Bereicherung gesehen werden. Auch mein Aufenthalt an der Meeresstation der Organisation mare-mundi war mehr als bereichernd und ich durfte viele interessante Dinge über meine geliebte Adria lernen. Abschließend bleibt mir nur der Dank an die Praktikanten, Mitarbeiter und den Stationsleiter, die mich als Nicht-Biologen in die faszinierende Welt der Meeresbiologie einführten und mir dadurch zu unvergesslichen Eindrücken und Erinnerungen verhalfen. Ich komme auf jeden Fall wieder, ob als Praktikant, Besucher oder als Lehrer mit eigener Klasse. Nebenbei: Da ist ja noch ein versprochenes Referat über Seegurken offen, das nur darauf wartet, gehalten zu werden!



Text und Fotos: Filip Savic
Redaktion: Dr. Walter Buchinger, Helmut Wipplinger