Dichtes Blätterdach einer Seegraswiese im Mittelmeer. Foto: Felix Rossbach

In diesem Jahr möchten wir als MareMundi am World Ocean Day den Fokus auf ein faszinierendes und oft unterschätztes Ökosystem lenken: Die Seegraswiesen des Mittelmeers.

Die wohl wichtigsten und ausgedehntesten Seegraswiesen im Mittelmeer werden von Posidonia oceanica, dem Neptungras gebildet. Sie sind wahre Ökosystem-Architekten mit immenser Bedeutung für marinen Lebensräume:

  • stabilisieren sandige Meeresböden,
  • bieten eine enorme Siedlungsfläche für andere Organismen,
  • fixieren Kohlenstoff (bis zu 3.000 g pro m²/Jahr) und
  • produzieren Sauerstoff (bis zu 14 l pro m²/Tag).

Damit übertrifft der ÖSD-Wert (Ökosystemdienstleistungswert) der Seegraswiesen für den Menschen sogar den der tropischen Regenwälder und den von Korallenriffen! In der öffentlichen Wahrnehmung wird diese Tatsache jedoch weitgehend missachtet.

Botryllus schlosseri (die Sternseescheide): Diese koloniebildenden Seescheiden bevorzugen Posidonia-Blätter als Siedlungsraum. Foto: Felix Rossbach

Was setzt dem Seegras besonders zu?

In den letzten 50 Jahren sind die Segrasbestände um 13 bis 50 % der zurückgegangen. Besonders folgende Faktoren sind dafür verantwortlich:

  • Klimawandel,
  • Überdüngung,
  • Änderungen von Strömungsverhältnissen durch Baumaßnahmen wie Hafenanlagen und
  • direkte mechanische Schädigung durch Bodenschleppnetze und die Anker von Booten und Schiffen.

In den letzten 50 Jahren sind zwischen 13 und 50% der Bestände zurückgegangen.

Unter dem dichten Bewuchs auf den Blättern von Posidonia oceanica finden sich unter anderem Rotalgen, Hydrozoen (Nesseltiere), sesshafte Würmer und Moostierchen.  Foto Felix Rossbach

Weltweit geht die Fläche von zwei Fußballfeldern Seegraswiese pro Stunde verloren! [1]

Wie können wir diesen faszinierenden Lebensraum besser schützen? Beispielsweise duch detaillierte Kartierungen der Posidonia-Bestände, das Einrichten von immer weiteren Ankerverbotsplätzen und das Installieren von festen Moorings für Boote als Alternativen.

Ein Schutzgebiet im Kvarner zu etablieren ist ein wichtiges Anliegen von MareMundi, wobei lokale und regionale Interessen berücksichtigt werden müssen. Dabei spielen Posidonia-Wiesen eine zentrale Rolle. Die Dokumentation der lokalen Bestände ist ein wichtiger Teil der Arbeit unserer NGO vor Ort. Mit dem institutseigenen Boot erkunden wir Seegraswiesen in der Region. Neben Tauchern und Schnorchlern kommt dabei zur Datenerhebung auch unsere Unterwasserdrohne (ROV) zum Einsatz.

Taucher beim Vermessen von Seegraswiesen. Foto: Felix Rossbach

ROV (Unterwasserdrohne) über einer Seegraswiese. Foto: Helldivers Hallein; Günter Höllbacher

Rekorde und Leistungen 

  • Seegras hält als „Klon“ zwei unglaubliche Altersrekorde als ältestes Lebewesen der Welt: Vor Formentera findet sich eine 80.000 und eine 200.000 Jahre alte Seegraswiese. [4]
  • Seegras zählt neben Pilzen zu den größten Lebewesen der Erde! Vor Australien erstreckt sich eine ca. 4.500 Jahre alte Wiese über 180 km weit. [3]
  • 1 qm Seegraswiese kann bis zu 1.000 Blätter tragen, wobei das ca. 1 cm breites Blatt bis zu einem Meter lang werden kann. Und ein Blatt hat zwei Seiten. Die Oberfläche, die dank dem Seegras von Organismen genutzt werden kann, ist bis zu 20 x größer sein als die entsprechende Fläche des Meeresgrundes, auf der diese Pflanze steht. [5]
  • Im Meer gibt es keine Hummeln – kleine Krebse und Würmer übernehmen ihre Aufgabe und bestäuben die Seegrasblüten.[2]

Der ÖSD-Wert (Ökosystemdienstleistung) von einem 1qm Seegraswiese pro Jahr beträgt 170 € – also quasi so viel wie ein 1qm Miete in Berlin! [1]

Schemata einer Seegraswiese. Grafik: Jessica Högermeyer

Wenn ihr mehr über Seegras wissen wollt, schaut mal auf folgender Website vorbei: seagrasswatch.org

Quellenverzeichnis:

[1] Out of the blue- the value of seagrasses tzo the environment and to people, United nation environment program, 2020

[2] van tussenbroek et al., 2016 experimental evidence of pollination in marine flowers by invertebrate fauna

[3] edgeloe et al. 2022 extensive polyploid clonality was a successful strategy for seagras to expand into a newly submerged environment

[4] arnaud-haond et al. 2012 implications of extreme lifespan in clonal organisms: milinary clones in medows of the threatend seagras posidonia oceanica

[5] Roßbach 2023 the role of phyllophora crispa (Hudson) P.S. Dixon 1964 mats (Rhodophyta) as hotspots for sessile invertebrate biodiversity in the mediterranean sea



Bericht: Lesley Mutschler, Felix Rossbach, Jessica Högermeyer
Redaktion: Helmut Wipplinger
Fotos: Felix Rossbach, Günter Höllbacher/Helldivers Hallein

Veröffentlicht am 8.6.2024