Big Mama kehrt im Mai 2025 mit ihrem achten Kalb in die Salish Sea vor der Küste von British Columbia, Kanada, zurück. / Foto: Andrew Lees, Five Star Whale Watching

Über unsere Meeresbewohner wird leider viel zu oft nur im Zusammenhang mit Problemen gesprochen – dabei gibt es auch berührende Erfolgsgeschichten, wie die vom Buckelwal „Big Mama“. Big Mama war einer der ersten Buckelwale, die 1997 – über 30 Jahre nach dem Walfangverbot von 1966 – in die Salish Sea im Pazifischen Nordwesten zurückkehrten. Mit ihr kamen Jahr für Jahr immer mehr Buckelwale zurück, darunter auch ihre Kinder, Enkel und sogar Urenkel.

Die Salish Sea liegt an der Westküste Nordamerikas und umfasst mehrere miteinander verbundene Meeresarme und Buchten im Grenzgebiet zwischen Kanada und den USA. In den Überlieferungen der Coast-Salish-Völker – indigene Gemeinschaften, die die Region rund um die Salish Sea seit Tausenden von Jahren bewohnen – heißt es, dass es einst so viele Buckelwale (Megaptera novaeangliae) gab, dass man über ihre Rücken von einer Insel zur nächsten laufen konnte. Doch dies sprach sich schnell herum, und mit den frühen Siedlern der „Neuen Welt“ in Nordamerika kamen die Waljäger, die die Buckelwale so lange jagten, bis schließlich kein einziger mehr übrig blieb.

101 Jahre Walfang

Walfang wurde betrieben, um das wertvolle Walöl (Blubber) zu gewinnen, das vor allem als Brennstoff für Lampen sowie zur Herstellung von Seife und Schmierstoffen genutzt wurde. In der Salish Sea gab es zwei Walfangwellen: die erste dauerte von 1866 bis 1873, die zweite von 1907 bis 1908. Schon 1908 wurde der Walfang in der Region eingestellt, da Buckelwale dort wirtschaftlich nicht mehr lohnend waren. Entlang der Außenküste von Vancouver Island wurde die Jagd jedoch bis 1967 fortgesetzt. Das hatte verheerende Folgen: Fast kein Buckelwal blieb übrig. Eine Art, die nach Legenden einst so zahlreich war wie Sand am Meer, war in der Region innerhalb von 101 Jahren lokal ausgelöscht. Laut Daten der Internationalen Walfangkommission (IWC) wurden zwischen 1900 und 1999 weltweit rund 2,9 Millionen Wale getötet und verarbeitet, davon allein 563.696 im Nordpazifik. So viele Wale, dass sie aufgereiht flächenmäßig halb Deutschland bedecken würden!

Big Mama und die Rückkehr der Wale

Nach dem Walfangverbot der Internationalen Walfangkommission im Jahr 1966 blieben die Meere vor der nordamerikanischen Westküste jahrzehntelang wie ausgestorben – wortwörtlich: Kein einziger Buckelwal war mehr zu sehen. Doch dann, 1997, die große Überraschung. In der Nähe von Race Rocks, dem südlichsten Punkt der Provinz British Columbia, tauchte plötzlich ein Buckelwal auf. Es war ein Weibchen – und mit ihr begann die Rückkehr einer fast verloren geglaubten Art in der Salish Sea. Buckelwale haben individuell einzigartige Fluken – ähnlich dem menschlichen Fingerabdruck. Dank Foto-Identifikation konnte dasselbe Weibchen 1999 und erneut 2003 eindeutig wiedererkannt werden. Und bei ihrem dritten Besuch in den Gewässern war sie nicht allein: Sie brachte ein Kalb mit. Seitdem trägt sie ihren Namen – Big Mama. Nur wenige Jahrzehnte später umfasst der Identifikationskatalog der Pacific Whale Watching Association für die Region bereits über 500 Individuen – ein echter Erfolg! Und alles begann mit Big Mama und ein paar weiteren Pionieren.

Big Mama mit Kalb beim Abtauchen, jenem Zeitpunkt, bei dem die Fluke sichtbar wird und für die (Wieder)Erkennung fotografiert werden kann / Video: Andrew Lees, Five Star Whale Watching

Standorttreue

Nach dem Walfang in der Salish Sea ging nicht nur die lokale Population verloren, sondern auch das kulturelle Wissen der Tiere über diesen einst bedeutenden Futterplatz. Buckelwale zeigen eine bemerkenswerte Standorttreue. So kehren sie Jahr für Jahr an dieselben Orte zurück um zu fressen oder ihre Kälber großzuziehen. Diese Routen und Orte lernen sie in der frühen Kindheit von ihren Müttern kennen. Doch als alle Buckelwale in der Salish Sea ausgerottet wurden, verschwand auch dieses kollektive Wissen. Die Region wurde für kommende Generationen unsichtbar und die wenigen überlebenden Tiere zogen zu anderen Futterplätzen, weil nur diese ihnen durch mütterliche Weitergabe bekannt waren.

Wie Big Mama die Salish Sea als Futterplatz wiederentdeckte oder wie sich dieses Wissen unter den wandernden Buckelwalen verbreitete, weiß man nicht genau. Was wir jedoch wissen: Seit ihrer Rückkehr fanden jedes Jahr mehr und mehr Buckelwale den Weg zurück in diese Gewässer. Big Mama allein hat ihr Wissen über die Salish Sea als reiche Nahrungsquelle an acht Kälber, vier Enkel und vier Urenkel weitergegeben – Generation für Generation.

Wie auch Du helfen kannst

– Wähle nachhaltigen Tourismus: Unterstütze kleine lokale Anbieter, die verantwortungsvoll mit der Natur umgehen und auf respektvolle Walbeobachtung achten.
– Halte dich auf dem Wasser an die Regeln: Wenn du selbst mit dem Boot unterwegs bist, folge den geltenden Abstands- und Geschwindigkeitsrichtlinien für Boote in der jeweiligen Region.
– Unterstütze Organisationen, die sich für Wale einsetzen: Viele Non-Profits kämpfen für leisere Ozeane, gesunde Lebensräume und den Schutz dieser faszinierenden Tiere – durch Forschung, Bildung und politische Arbeit.



Bericht: Mareike de Breuyn
Redaktion: Julian Robin
Foto/Video: Andrew Lees, Five Star Whale Watching

Veröffentlicht am 12.062025