Wer steckt eigentlich hinter MareMundi? Diese Frage wird uns immer wieder gestellt. Daher möchten wir euch in den nächsten Monaten das MareMundi Team vorstellen. Der Auftakt ist dem Gründer dieser Organisation, unserem lieben Robert (Dr. Robert Hofrichter, Jahrgang 1957) zugefallen.

Irgendwann vor vielen Jahren sagte ein Biologie-Kollege zu mir: Ab einem gewissen Alter, Wissens- und Erfahrungsstand, ist es das beste und höchste, was man tun kann, die angesammelten Wissensschätze an Jüngere weiter zu geben und sie für die Biologie und den Naturschutz als Lebensweg zu motivieren. Er hatte damit recht und ich habe im Alter von etwa 40 Jahren damit angefangen.

Allerdings möchte ich hier auf keinen Fall als belehrender Silberrücken auftreten, der anderen mit erhobenem Zeigefinger gegenübertritt. Ohnehin denke ich, dass Wissen nur einer der Schätze ist, die man weitergeben kann und mein Gefühl sagt mir, dass diese anderen Schätze für den Naturschutz mindestens so wichtig sind wie Wissen, wenn nicht noch wichtiger. Ich denke dabei an Emotionen, Mitgefühl, Empathie und damit verwandte Dinge. Nur wer derartige Regungen empfindet, wird sich auch bemühen etwas für die Natur und unsere Mitgeschöpfe zu tun.

Die narzisstischen und teilweise krankhaften Egoismen so mancher aktuellen Staatenlenker:innen befassen sich mit Macht, Geld, Einfluss – massive Umweltzerstörung lässt sie kalt. Von ihnen können wir nichts Positives und Zukunftsorientiertes für den Erhalt der natürlichen Umwelt erwarten.

Zum Glück gibt es aber auch viele Menschen auf dieser Welt, deren charakterliche Grundausstattung völlig anders gestrickt ist und denen es an genannten Qualitäten nicht mangelt. Nennen wir sie hier der Einfachheit halber „die Zivilgesellschaft“. An sie wende ich mich in diesen Zeilen, denn ihr fühle ich mich verbunden. Nicht die Wissensvermittlung steht diesmal im Vordergrund, auch wenn sie viel Freude bereitet. Vielmehr sind es die angesprochenen Empathien, die Zufriedenheit, die Faszination, die Begeisterungsfähigkeit und die Fähigkeit über die kleinsten Wunder der Natur zu staunen.

Über solche Dinge zu sprechen ist schwer möglich ohne etwas philosophisch und religionshistorisch zu werden. Denn all das Erstrebenswerte ist nicht materieller Natur, vielmehr handelt es sich um ethische, psychologische Qualitäten des Geistes. Früher hätte man „des Herzens“ gesagt und selbst wenn es biologisch-medizinisch nicht stimmt, verstehen wir alle, worum es geht.

Dominium terrae“ steht im Lateinischen für „Herrschaft über die Erde“. Nicht erst seit dem Aufkommen des Humanismus und der Renaissance gilt der Mensch als Maß und Ziel aller Dinge. Schon mehr als zwei Jahrtausende davor findet sich das wirkungsgeschichtlich bedeutende Motiv im Alten Testament, nämlich als Auftrag Gottes an den Menschen in Genesis 1,28 (Einheitsübersetzung):

Seid fruchtbar und mehrt euch,
füllt die Erde und unterwerft
sie und waltet über die Fische
des Meeres, über die Vögel des
Himmels und über alle Tiere,
die auf der Erde kriechen!

Interessanterweise war es nicht die Religion, die auf eine andere Einstellung als diese pochte. Die weltliche Aufklärung und die Entwicklung der Wissenschaft machten den Weg frei. Sie halfen uns zu verstehen, dass unsere Mitgeschöpfe in Wirklichkeit (und im Sinne von Franz von Assisi) unsere „Brüder“ und „Schwestern“ sind. Nicht wenige haben verstanden, dass wir uns die Erde eigentlich gar nicht unterwerfen, sondern auf ihr friedlich und nachhaltig koexistieren sollen. Verblüffend, dass es nicht ein Priester war, der uns nahegebracht hat, dass die Affen unsere Brüder sind, sondern der durch Zweifel zerrissene Agnostiker Charles Darwin.

Ein Aquarium, Bücher, Schmetterlinge, Käfer, Blumen, Pilze: Schon als Kind war mir klar, dass ich Biologe werden will. / Foto: Archiv Robert Hofrichter

Ich hatte das Glück, als Kind wohl behütet in einer Familienvilla in Pressburg mit großem Garten, Gartenteich, tausenden Pflanzen und einer im Vergleich zu heute noch intakt(er)en Natur aufzuwachsen. Gut, ich gebe zu damals „aus Liebe zur Natur“ Käfer und Schmetterlinge auf entomologische Nadeln aufgespießt zu haben. Davor habe ich sie natürlich mit Äther eingeschläfert, mit dem mich meine Mama als Apothekerin versorgt hatte. Doch alles in allem ging es darum die Natur intensiv und mit allen Sinnen zu erleben, zu erfahren, so viel wie möglich in sich aufzusaugen. Natürlich auch kulinarisch. In dieser Beziehung stand damals weniger der Spinat im Mittelpunkt (heute liebe ich ihn sehr), sondern vielmehr die Pilze (die Liebe zu ihnen blieb bis heute).

Mein Lebensglück wurde durch die Präsenz unzähliger Bücher in unserem Haus verstärkt. Schon im Vorschulalter bedeuteten sie mir mein „halbes Leben“. Ich lernte die wissenschaftlichen Namen von Tieren und Pilzen auswendig (die Pflanzen habe ich ein wenig vernachlässigt). Und so war mein Lebensweg schon in zartem Alter irgendwie vorgezeichnet: Natur, Biologie, das Leben an sich, Bücher, Philosophie …

Ein großer Tag im Leben des jungen Ehepaares um den 15. Mai 1981: Wir verließen die Stadt Pressburg (damals CSSR) und suchten das Weite in der Freiheit. / Foto: Archiv Robert Hofrichter

Bald kam Sohn Robert Jr. zur Welt und wir nutzten jede Gelegenheit um Reisen zu unternehmen. Ganz klar, sie sollten ans Mittelmeer führen. Wild campen wie auf Paxos war damals noch möglich. / Fotos: Archiv Robert Hofrichter

Zwar habe ich bereits 1974 mit dem SCUBA-Tauchen angefangen, aber das war nur im Baggersee (Regel: immer allein, Ausrüstung: eine Stahlflasche, ein Schlauch mit Mundstück, eine Badehose). So richtig losgegangen im Mittelmeer ist es dann Mitte der 1980er. Ich hatte noch keine UW-Kamera, sondern nur einen „Plastiksack“ von Ewa-marine. Bei trüben Verhältnissen ist ein schlechtes Foto meiner Frau entstanden, auf das ich aber unglaublich stolz war. Es war der prägende Anfang eines neuen Lebensabschnitts. / Foto: Archiv Robert Hofrichter

Es hat einige Jahre gedauert, bis ich mir den Traum vom Biologiestudium in Salzburg erfüllen konnte. Da war ich schon 30. Dann studierte ich allerdings im Expresstempo / Foto: Archiv Robert Hofrichter

Mein geschätzter Prof. Hans Adam beauftragte mich als Student an der Uni Salzburg während seiner Abwesenheit das Seminar „Philosophie und Naturwissenschaft“ zu leiten. Ob es die heutige Generation glaubt oder nicht: Unsere Professoren der Biologie waren damals Dr. phil., Doktoren der Philosophie! Die Doktor rerum naturalium folgten erst später. Damit sind wir beim Titel dieses Beitrags: Ohne Philosophie geht es nicht. Denn – in Übersetzung aus dem Griechischen – die „Liebe zur Weisheit“ – lässt sich durch nichts ersetzen, mit keiner Chemikalie und durch kein noch so ausgefallenes Messgerät. Nicht durch Wissen allein. Auch nicht im Natur-, Umwelt- und Artenschutz. Denn solange uns andere Kreaturen auf dieser Welt emotional kalt lassen, werden wir nichts zu ihrem Wohlergehen beitragen. Seltsam, dass man antiquierte, verstaubte Begriffe verwenden muss, um Wesentliches zu erfassen. Herzensbildung etwa … In akademischen Kreisen wird man eher belächelt, wenn man mit solchen Begriffen spielt.

Glückliche Jahre in Banyuls-sur-Mer in Südfrankreich mit einem traditionsreichen Meeresbiologie-Institut: Viel tauchen, forschen und mit dem solitären Delfin „Dolphy“ schwimmen, der in diesen Jahren dort lebte und den Kontakt zu Menschen suchte. / Fotos:  Archiv Robert Hofrichter

Bei jeder passenden Gelegenheit ging es ans Mittelmeer, hier nach Sizilien und auf den Ätna. Zwar kannte ich den Begriff Mediterranistik damals noch nicht, er war vielleicht noch gar nicht erfunden, aber genau diesem Fach bin ich nachgegangen: alles über den Mittelmeerraum zu lernen. / Foto: Archiv Robert Hofrichter

Sehr prägend waren die Studienaufenthalte in Rovinj unter Leitung von Prof. Fredi Goldschmid. Da haben wir „brutal viel“ Meeresbiologie gelernt. Auf einem der Fotos sieht man „mare sporco“, das schmutzige Meer, welches als „Algenplage“ auch medial berühmt wurde. / Fotos: Archiv Robert Hofrichter

Die Natur muss gefühlt werden“, erkannte und beschrieb schon Alexander von Humboldt – einer der Wegbereiter eines wirklich umfassenden und „ganzheitlichen“ Naturverständnisses, denn „…. wer nur sieht und abstrahiert, kann ein Menschenalter […] Pflanzen und Tiere zergliedern, er wird die Natur zu beschreiben glauben, ihr selbst aber ewig fremd sein.“

Ab dem Beginn der 1990er Jahre folgten dann die ersten Reisen in tropische Korallenmeere. Die Begeisterung war groß, die Erlebnisse überwältigend. / Fotos: Archiv Robert Hofrichter

Schon bald begann ich Exkursionen für Studenten und auch für das Laienpublikum zu organisieren. 1999 folgte eine Einladung, auf Isola del Giglio am „Institut für marine Biologie“ meeresbiologische Kurse abzuhalten. Damals begann ich auch an meinem Lebenswerk „Das Mittelmeer“ zu basteln. Bald gründete ich die Organisation MareMundi, aus der nach einigen Jahren jene wurde, die wir heute in ihrer Form kennen. 2008 übersiedelte ich dann mit meinen Kursen und Exkursionen nach Krk.

Zur Geschichte von MareMundi und unserem Instituts auf Krk:

    1. Teil I – Geschichte eines Instituts auf Krk („Urzeit“ bis 2010)
    2. Teil II – Geschichte eines Instituts auf Krk (2011 bis 2016)
    3. Teil III – Geschichte eines Instituts auf Krk (2017 bis 2021)
    4. Teil IV – MareMundi feiert als Verein den 15-jährigen Geburtstag

Mein Forschungsschwerpunkt war das Studium von kleinen kryptobenthischen Fischen (hier im Naturhistorischen Museum Paris), den Schildfischen (Gobiesocidae). Ich hatte das Glück unter Anderem eine neue Art beschreiben zu können (Apletodon incognitus). / Foto: Archiv Robert Hofrichter

Wenn mich jüngere Kolleg:innen fragen (aber nur dann), welchen Weg sie in der Biologie einschlagen sollen, weil alles so unsicher ist, würde ich ihnen antworten: Bleibt unbedingt dabei, auch wenn es tatsächlich ein „brotloser Beruf“ sein kann. Geht mit ungebrochener Leidenschaft dieser Faszination für das Leben und seine unfassbaren Äußerungsformen nach. Lasst euch durch widrige Umstände und kurzsichtige Dummköpfe, wie ich sie bereits erwähnt habe, nicht entmutigen. Natürlich muss man sich bis zu einem gewissen Grad der modernen Welt und ihren Trends und Fragestellungen anpassen. Was aber für wahre Biolog:innen und Naturschützer:innen nie aufhören wird, ist die Bedeutung der Philosophie und der Empathie für das, was sie machen. Die Begeisterungsfähigkeit selbst über die kleinsten Dinge der Natur kommt aus unserem Inneren. Selbst wenn wir manche Mechanismen und Prozesse verstehen, das wahre Wesen dieser Wunder und des Lebens selbst wird uns womöglich immer verborgen bleiben. Ein Faszinosum eben! Und beginnen wir rechtzeitig, die nächste Generation mit all dem anzustecken, denn das ist ganz wesentlich!

1997 schrieb ich mein erstes Buch, das auch in Kanada, Australien und  den USA veröffentlicht wurde, Die Amphibien. Dem sollten weitere mehr als 30 Bücher folgen. / Foto: Archiv Robert Hofrichter

Ein besonderer Lebensabschnitt waren die Jahre 1999 bis 2007. Als externer Dozent arbeitete ich am Institut für marine Biologie auf Isola del Giglio. / Foto: Archiv Robert Hofrichter

Ich bin sehr glücklich und auch stolz darüber, dass sich in unserem Institut MMIK in Punat viele junge Menschen treffen, die vom „Virus dieser Begeisterungsfähigkeit“ infiziert sind und derzeit bis zu 2.000 weitere Menschen jährlich damit „anstecken“.

Die real existierenden Krisen der Gegenwart wie Klimawandel, Verlust der Biodiversität und massive Ausbreitung der Dummheit statt der „Liebe zur Weisheit“ zu ignorieren wäre töricht. Und so möchte ich meine Zeilen mit den weisen Worten der Kulturanthropologin Joana Breidenbach beenden:
Krisen lassen sich nicht bewältigen, indem wir sie umschiffen, sondern indem wir sie annehmen, integrieren und transzendieren. Probleme stehen uns nicht im Weg – Sie sind der Weg.“

Mit meiner Frau am Ras Muhammed, vermutlich im Jahr 2001. Bis zu den Corona-Jahren spielte das Rote Meer eine wichtige Rolle bei meinen Aktivitäten (Feldstation RSEC, Red Sea Environmental Centre). / Foto: Archiv Robert Hofrichter

Mit Mama im Donaudelta. Zwischen 2004 und 2022 führten mich etwa 10 Exkursionen in dieses Vogelparadies. / Foto: Archiv Robert Hofrichter



Bericht: Robert Hofrichter
Lektorat: Jan Gohla
Redaktion: Helmut Wipplinger

Fotos: Archiv Robert Hofrichter

Veröffentlicht am 25. April 2025