Wie schon bei meinem letzten Bericht versprochen, präsentiere ich, Alexander Heidenbauer, nun schlußendlich die Ergebnisse des MareMundi Projekts Posidonia und damit auch die meiner Masterarbeit:

„The molluscan assemblages of shallow water Posidonia oceanica settlements with different anthropogenic impact in the Kvarner Bay (Croatia).“

Alexander Heidenbauer auf dem Weg zur Posidonia Wiese. Mit im Schlepptau: AirLift Sampler mit Tauchflasche, Transektrahmen, Schreibtafel und Netze für die Beprobung der Seegraswiesen.

Der Zustand der Seegraswiesen :

Der wohl wichtigste ökologische Parameter um den Zustand einer Seegraswiese zu bestimmen ist die Sprossdichte. Neben der Sprossdichte spielen auch die Flächendeckung, die Tiefenverbreitung, der Leaf-Area-Index und einige andere Parameter eine Rolle, diese wurden aber nicht genauer bestimmt, da es den Umfang unserer Arbeit gesprengt hätte. Das Monitoring Protocol für P. oceanica Seegraswiesen (UNEP/MAP-RAC/SPA, 2011) unterscheidet zwischen fünf Kategorien, die anhand der Sprossdichte den Status einer Seegraswiese beschreiben: High – Good – Moderate – Poor – Bad.

Wie erwartet lag die Seegraswiese bei Krk mit 430±152 Sprossen pro Quadratmeter deutlich und unter den Werten der anderen Seegraswiese vor Kormati mit 618+123 Sprossen pro Quadratmeter!
Unsere Seegraswiesen erreichen somit eine Einstufung in „Poor“ und „Good“.

Ob diese Werte nun tatsächlich alleine von den menschlichen Einflüssen geprägt sind, ist natürlich schwer zu beantworten und benötigt einen deutlich größeren Studienumfang zu diesem Thema. Natürlich gibt es auch viele natürliche Faktoren, die die Vitalität einer Seegraswiese beeinträchtigen, denn nicht jeder Standort bringt die gleichen Bedingungen (z.B. Exposition zu Wind & Wellen, Sedimentationsrate). Aber eines kann klar gesagt werden und ist auch wissenschaftlich bewiesen: Das Ankern von Booten richtet riesigen Schaden in einer Seegraswiese an und dies dürfte auch hier seine Spuren hinterlassen haben! Alle Segler und Yachtbesitzer unter euch – bitte nehmt euch das zu Herzen und unterlasst das unbedingt, egal wie klein das Boot sein mag!

The classification values of meadow cover (UNEP/MAP-RAC/SPA, 2011 modified).

Die Mollusken der Seegraswiesen:

Insgesamt wurden 3494 lebende Mollusken aus vier Klassen gefunden und genauer unter die Lupe genommen. Die Schnecken (2632 Individuen) dominierten eindeutig, gefolgt von Muscheln (854 Individuen), Käferschnecken (7 Individuen) und Kahnfüßern mit nur einem Individuum.

Wie vermutet spiegelte sich die niedrigere Sprossdichte auch in den Ergebnissen:
Krk schnitt mit 1381 Individuen deutlich schlechter ab als Kormati mit 2113 Individuen!
Inspiziert man die Ergebnisse etwas genauer, dann zeigt sich, dass diese Unterschiede überwiegend in den Blattschichten zu finden sind (Krk mit 881 Individuen, Kormati mit 1533 Individuen), während die Ergebnisse der Rhizomschichten nahezu gleich sind (Krk mit 500 Individuen, Kormati mit 580 Individuen). Dies zeigt, dass vor allem die Tiere der Blattschicht unter der geringen Sprossdichte leiden. Ganz klar – wo weniger Blätter sind da sind auch weniger Blattbewohner.

Die Biodiversität der Seegraswiesen

Obwohl diese Studie vom Umfang her noch relativ klein war, brachte sie schon eine erstaunliche Menge an Arten zum Vorschein:  86 Arten aus 37 Familien und 62 Gattungen konnten unterschieden werden! 82 davon wurden auf Artniveau und vier auf Gattungsniveau bestimmt. Auch hier zeigte sich die schon bekannte Reihenfolge wieder: Schnecken (61 Arten) dominieren vor den Muscheln (21 Arten), Käferschnecken (3 Arten) und den Kahnfüßern (1 Art).

Vergleicht man die Biodiversität mit ähnlichen Studien anderer Regionen, so lässt sich ein abnehmender Trend von West nach Ost erkennen: Die höchste Biodiversität erreichten zwei Studien aus der Alboran See und von der iberischen Halbinsel mit 177 Arten. In Sardinien wurden 57 Arten und in der ligurischen See 87 Arten in den Blattschichten gefunden. Wenn man nun die einzigen zwei Studien der Adria ansieht, dann landet man in Albanien bei insgesamt 125 Arten (sehr umfangreiche Studie mit anderen Methoden) und in Kroatien (Vrgada) bei nur 37 Arten. Diese aktuelle Studie liegt also mit 86 Arten im guten Mittelfeld und ganz klar, würde man die Stichprobengröße noch erweitern, dann würde man bestimmt auch noch einige Arten finden.

Der Blick auf die zwei Habitate zeigte, dass die Rhizomschicht (79 Arten) deutlich artenreicher ist als die Blattschicht (40 Arten) und bestätigt damit auch die Ergebnisse anderer Studien.

Aber wie sieht es nun eigentlich zwischen den Seegraswiesen Krk und Kormati aus? Ein erster Blick auf die Zahlen zeigte tatsächlich 66 Arten bei Krk und 73 Arten bei Kormati. Aber bedeutet das auch, dass die Biodiversität in Krk nun wirklich geringer ist? Schließlich wurden dort ja allgemein auch deutlich weniger Tiere gefunden, und das verringert ja auch die Wahrscheinlichkeit unterschiedliche Arten im Netz zu haben. Nun um dem auf die Spur zu gehen muss man in die statistische Trickkiste greifen und die Biodiversität bei vergleichbarer Stichprobengröße neu berechnen: „Sample-size-based rarefaction and extrapolation estimation“.

Sample-size-based rarefaction and extrapolation sampling curve of the whole molluscan assemblage

Sowohl die Blattschicht als auch die Rhizomschicht zeigten keine signifikanten Unterschiede in der Biodiversität zwischen den beiden Seegraswiesen! Die Hypothese konnte also nicht bestätigt werden und zumindest in dieser Studie scheint sich die geringere Sprossdichte (die wohl auch durch den Menschen verursacht wurde) nicht auf die Biodiversität auszuwirken – immerhin!

Vergleich der Seegraswiesen

Und da wir gerade von der statistischen Trickkiste gesprochen haben muss folgendes Verfahren erwähnt werden: Non-metric Multidimensional Scaling (NMDS)!

Diese Ähnlichkeitsstrukturanalyse ist ein Bündel von multivariaten Statistikverfahren, das Distanzen bzw. Ähnlichkeiten zwischen Datensets räumlich darstellt. Je weiter die Objekte voneinander entfernt sind, desto unähnlicher sind sie und je näher sie beieinander sind, desto ähnlicher sind sie. Dieses Verfahren machte auf faszinierende Art und Weise mit einem Blick klar, dass klare Unterschiede zwischen den Datensets vorherrschen.

Non-metric multi-dimensional scaling plot representing replicates of the Posidonia oceanica leaves (solid circles) and rhizomes (empty circles) at Kormati island (red) and Krk island (blue).

Sowohl die Seegraswiesen aber auch die Blatt- und Rhizomschicht sind eindeutig voneinander getrennt! Die Unterschiede zwischen den beiden Habitaten (Blatt- und Rhizomschicht) sind größer als die Unterschiede zwischen den Seegraswiesen. Die Unterschiede innerhalb der Rhizomschichten scheinen größer zu sein als die der Blattschichten. Was genau diese Unterschiede ausmacht kann mit diesem Verfahren nicht definiert werden, aber das galt es nun rauszufinden.

Die Artzusammensetzung der Seegraswiesen:

Nun wir wissen ja bereits, dass die Seegraswiesen unterschiedliche Individuenzahlen beheimaten, die Biodiversität aber relativ gleich ist. Diese Erkenntnis sagt aber noch nichts drüber aus, welche Arten das sind und welche Arten dominieren.

Betrachtet man die Habitate (Blatt- und Rhizomschicht) wieder getrennt voneinander und vergleicht dann die Seegraswiesen kommen folgende Ergebnisse zum Vorschein:

In den Rhizomschichten von Kormati dominieren ganz andere Arten als in den Rhizomschichten von Krk! Vollzieht man nun einen Test namens Similarity Percentage (SIMPER), findet man heraus welche Arten am meisten zu den Unterschieden beitragen und wie groß die Unterschiede tatsächlich sind. Es zeigte sich, dass sich die Artzusammensetzungen der Rhizomschichten um 56,77 % unterscheiden und erklärt somit auch die großen Entfernungen des vorangegangenen NMDS Plots.

Ausschnitt aus den Ergebnissen: SIMPER (Similarity Percentage) analysis of the associated molluscs found in the rhizome substratum at both locations. An overview of the top 20 species.

Sucht man nun nach Indikatorarten (IndVal Analysis) die sich nur auf einen der beiden Standorte konzentrieren, kann man u.U. auf gewisse ökologische Bedingungen schließen, wenn man denn weiß welchen Lebensstil diese Arten bevorzugen. Betrachtet man all diese Ergebnisse im Detail, zeigt sich, dass Krk eher durch sediment-liebenden Arten charakterisiert ist (überwiegend Muscheln) und spiegelt auch die Erfahrungen der Freilandarbeit wider. Ähnliche Ergebnisse ergaben sich auch bei den Blattschichten, die sich, wie erwartet weniger, um 37,73 % unterscheiden.

Ausschnitt aus den Ergebnissen: Indicator Values (IndVal) analysis showing the significant indicator species of the rhizome substratum from both locations.

Ausschnitt aus den Ergebnissen: Abundance Rank of the rhizome layer at family level and mollusc class

Die Artzusammensetzung im Vergleich mit anderen Studien

Als nächstes wurden die Ergebnisse der beiden Seegraswiesen zusammengelegt und die wichtigsten Charakterarten für die Region der Kvarner Bucht definiert. Schließlich wurde in dieser Region noch nie eine Studie dieser Art durchgeführt.

Blattschicht:
Folgende 12 Charakterarten, die 95,7% der quantitativen Dominanz ausmachten, wurden für die Blattschicht der Kvarner Bucht definiert: Pusillina lineolata, P. philippi, Rissoa splendida, R. rodhensis, R. violacea, Bittium latreillii and Risoella inflata innerhalb der Schnecken und Anomia ephippium, Hiatella arctica, Musculus costulatus, M. subpictus and Flexopecten hyalinus innerhalb der Muscheln.

Rhizomschicht:
Folgende 14 Charakterarten, die 70% der quantitativen Dominanz ausmachten, wurden für die Rhizomschicht der Kvarner Bucht definiert: Gouldia minima, Striarca lactea, Hiatella arctica, Loripes orbicularis, Musculus subpictus, Musculus costulatus, Thracia distorta and Flexopecten hyalinus innerhalb der Muscheln und Rissoina bruguieri, Euspira nitida, Alvania geryonia, Bittium latreillii, Raphitoma linearis, Caecum subannulatum innerhalb der Schnecken.

Der Vergleich mit anderen Studien bestätigt, dass starke regionale Unterschiede in der Artzusammensetzung vorherrschen. In der gut untersuchten Blattschicht sind lediglich drei Arten in allen Studien häufig (Rissoa violacea, Pusillina lineolata and Bittium latreillii). Die bisher eher schlecht untersuchte Rhizomschicht brachte nur zwei häufige Arten zum Vorschein: Bittium latreillii and Gouldia minima.

Die trophische Zusammensetzung der beiden Seegraswiesen

Wir wissen nun, dass sich die Artzusammensetzung zwischen Krk und Kormati deutlich voneinander unterscheidet, jedoch wie sieht es im Großen und Ganzen mit der trophischen Zusammensetzung aus? Also welche Ernährungsgewohnheiten dominieren innerhalb der Seegraswiesen und gibt es Unterschiede?

Um das herauszufinden wurden die Daten jeder Seegraswiese zusammengelegt und jeder Art einer Nahrungsgilde zugeordnet: C – carnivores feeding on mobile organisms; D – deposit feeders; E – ectoparasites and specialized carnivores; F – filter feeders; MG – microalgal or periphyton grazers; SC – scavengers; SY – symbiont-bearing species.

Comparison of the abundance proportions of mollusc feeding guilds between the seagrass meadows of Kormati and Krk. (Feeding guild codes:  C carnivores feeding on mobile organisms; D deposit feeders; E ectoparasites and specialized carnivores; F filter feeders; MG microalgal or periphyton grazers; SC scavengers; SY symbiont-bearing species).

Grundsätzlich dominieren die algenabweidenden Arten in beiden Seegraswiesen ganz klar vor den Filtrierern, den Carnivoren, den Ectoparasiten und zu guter Letzt vor den symbiontisch lebenden Arten und Aasfressern. Dies überrascht nicht, denn die Schnecken, die ja überwiegend Algen abweiden, dominierten ja auch klar vor den Muscheln und den anderen wenigen Vertretern der Käferschnecken und Kahnfüßer.

Die Unterschiede zwischen den Seegraswiesen sind aber trotzdem ganz schön unterschiedlich:
Wie schon die Indikatorarten vemuten ließen, ist die Seegraswiese in Krk stärker von sandigem Untergrund geprägt. Ein höherer Sandanteil spricht für einen höheren Anteil von Muscheln, die sich dort gerne vergraben und sich i.d.R. als Filtrierer oder über eine chemische Symbiose mit Schwefelbakterien (typisch dafür sind die Mondmuscheln – Lucinidae) ernähren. Diese Annahme wurde nun eindeutig bestätigt, auch wenn dies während der Probennahme nicht so eindeutig ersichtlich war.

Mit diesen Worten beende ich nun den Abschlussbericht über meine Masterarbeit und hoffe, dass ich den Lesern einen Einblick in die Arbeit eines Meeresbiologen geben konnte!

An dieser Stelle auch noch mal ein großes Dankeschön an Marubis, MareMundi und Dr. Paolo Albano von der Universität Wien, die mir diese Studie ermöglichten!


Bericht, Redaktion & Abbildungen: Alexander Heidenbauer