Schnorcheln ist ein kleines Fenster in eine unbekannte Welt, die sich meist unsichtbar durch einen blauen-welligen Schleier vor unseren Augen verbirgt. Ausgerüstet mit einem Atemgerät (Schnorchel), verstärktem Antrieb (Flossen), einem Raumanzug (Neopren) und Visier (Taucherbrille) kann sich die „bemannte Manövriereinheit“ oder auch Schnorchler / Schnorchlerin im fremden Lebensraum einfinden und diesen erforschen. Eine Tätigkeit, die tagsüber sehr beeindruckend ist, aber nachts fast noch mehr.

Praktikantin Lara Süttner bei der Arbeit…
Foto: Lisa Scherbel

Ich bin Lara und gerade erst mit dem Abi in Regensburg fertig geworden, da habe ich die Chance ergriffen ein fünf wöchiges Praktikum bei Mare Mundi zu machen. Auch wenn ich zuvor schon begeisterte Schnorchlerin war, habe ich hier gelernt das Meer mit ganz anderen Augen zu sehen und zu begreifen.

Punat, 25. September 2021 um 19:27 Uhr: Die Sonne ist untergegangen, die Strände sind leergefegt und auch die Strandbars machen langsam zu… Währenddessen bereiten wir unsere Ausrüstung vor und schälen wir uns in die Neoprenanzüge, das Salzwasser erstreckt sich vor uns, nur kleine Wellen bewegen die Oberfläche und der Lichtschein der den Weg erleuchtet, berührt kaum die schwarze Oberfläche. Wir legen unser Blei, Kopfhaube, Maske und Schnorchel an. Mit zwei Tauchlampen ausgestattet wagen wir uns ins Mittelmeer an der Küste von Punat. Die ersten neugierigen Schritte ins Wasser, Flossen umschnallen und ein langer Schwimmzug, das Meer hüllt uns ein.

Sonnenuntergang an der Küste von Punat
Foto: Fiona Gumpinger

Nachts ist alles ein bisschen anders: Keine Touristen belagern die Strände und Fischerboote sind weit draußen unterwegs. Unter dem weiten Sternenhimmel erstrecken sich die undurchsichtigen Wassermassen, in denen wir schwimmen. Im Lichtkegel der Lampe erscheint die Welt Unterwasser viel langsamer und stiller als bei Tageslicht, beinahe als hätte jemand auf „Pause“ gedrückt. Wir haben eine Sichtweite von circa 10 m, weiter reicht der Schein der Tauchlampen nicht, man würde sich fast gruseln, wenn es da nicht so viel zu sehen gäbe.

Denn nicht nur das Schnorchelerlebnis, auch die Meeresfauna hat sich verändert: Ährenfische hängen in der Wassersäule wie festgefroren, schlafende Lippfische liegen auf dem Meeresgrund zwischen Steinen angelehnt und hoffen, dass sie nicht gefressen werden. Ungewöhnlich viele Drachenköpfe liegen frei auf dem Grund, eine Einsiedlerkrebs Kolonie wandert über den Sandboden, gleichzeitig werden Würmer wie Polychaeten und Zooplankton von den Taschenlampen angezogen und sie winden sich im Lichtschein. Das Leben unter der Wasseroberfläche hat sich verändert, im Gegensatz zu dem was wir normalerweise beim Schnorcheln sehen. Das liegt daran, dass viele verschiedene Tiere denselben Platz bevölkern, indem sie unterschiedliche zeitliche ökologische Nischen besetzten. In den Dämmerungsphasen findet dann jeweils ein Wechsel der tag- und nachtaktiven Lebewesen statt. Tagaktive Fische wie der Mönchsfisch, den wir sonst in großen Schwärmen sehen, ziehen sich bei Sonnenuntergang in geschützte Bereiche wie Felsspalten zurück. Währenddessen kommen nachtaktive Fische aus ihren Verstecken hervor, man erkennt diese vor allem an einer rötlichen Färbung und großen Augen, gute Beispiele dafür wäre ein Soldatenfisch oder ein Meerbarbenkönig (diese haben wir aber leider nicht gesehen). Bei Tag- und Nachtanbruch ereignet sich auch jeweils die größte Wanderschaft des Planeten: die Migration des Planktons. Billionen Organismen kommen aus bis zu 1.000m Tiefe an die Oberfläche um zu fressen und ziehen sich bei Sonnenaufgang wieder in die Tiefe zurück, um wiederrum nicht gefressen zu werden.

Ein Blick von Außen auf unser kleines Abenteuer
Foto: Fiona Gumpinger

Wir schweben über dem erleuchteten Meeresgrund und betrachten den bizarren Lebensraum, da kommt auf einmal abrupte Bewegung in unsere Schnorchelgruppe. Nach ein paar schnellen Flossenschlägen sehe ich es auch, ein Meeraal schlängelt am Boden entlang, er schimmert silber-blau und ist einen Meter lang. Der Conger conger kann bis zu 3 Meter groß werden und ruht tagsüber gerne in tiefer liegenden Höhlen und Felsspalten. Nachts jedoch kommt er aus seinem Versteck und begibt sich auf die Jagd nach Fischen und sonstigem Getier. Nachdem wir uns von seinem Anblick lösen können und weiter an der Küste entlang schnorcheln, entdecken wir einen gemeinen Tintenfisch (Sepia officinalis) der über dem Sandgrund dahin gleitet und mit seinen Fangarmen kleine Fische oder Krabben fängt. Dieses Exemplar ist nur etwa 15 cm groß, im Mittelmeer können sie aber eine Größe von bis zu 50 cm erreichen und kommen auch noch in 200 m Tiefe vor. Sie gehören zu den zehnarmigen Kopffüßern im Tierstamm der Weichtiere. Der kleine Tintenfisch vor uns ist sehr scheu und erstarrt im Lichtschein der Lampen, als wir kurz nicht aufpassen, war er auch schon geflohen und nicht mehr wieder gesehen. Etwas später – ich zerre gerade eine Angelschnur, die sich am Grund verheddert hat, aus den Steinen – sehe ich eine seltsame Struktur auf einem Felsen: ein langer grün-schwarzer Wurm, der sich vorne nochmal aufgabelt, liegt dort. Es ist ein Igelwurm (Bonellia viridis). Diese Tiere ernähren sich mithilfe ihres Rüssels, der bis zu 1,50 m lang wird und Substrat vom Sedimentboden aufschauffelt und über winzige Wimpernrinnen zur Mundöffnung befördert. Ein eigenartiges Tier, dessen ca. 15 cm lange Rumpf meist unter einem Stein versteckt bleibt. Sie leben hemisessil, wechseln also nur selten ihren Standort. Die Weibchen entsprechen der Beschreibung, die Männchen hingegen sehen ganz anders aus, sie werden nur 2,5-3 mm groß.

Sobald wir unsere Lampen ausschalten und wild mit den Armen fuchteln, sehen wir auch die Biolumineszenz des Planktons an der Oberfläche, kleine blau-grüne Funken blitzen im Dunkeln vor unseren Augen auf und werden durcheinandergewirbelt. Biolumineszenz wird die Lichtausstrahlung von Lebewesen genannt, diese beruht auf biochemischen Vorgängen, wobei bestimmte Leuchtstoffe wie Luciferin oxidiert werden unter der katalytischen Wirkung des Enzyms Luciferase. Das dadurch entstehende aktivierte Luciferin leuchtet weiß oder blau bis grün-blau. „In der Natur beginnen die Organismen zu leuchten, wenn sie in unruhigem Wasser bewegt werden. Experten vermuten, dass der Druck auf die Zellwand darin liegende Ionenkanäle beeinflusst. Denkbar sei, dass sich diese durch den Druck von außen öffneten, sodass sich Kalzium durch verschiedene Teile der Zelle bewegen und die Lichtreaktion auslösen könne.“ (Spiegel Wissenschaft, 2020)

Vereinfachte Reaktionsgleichung der Biolumineszenz
Foto: https://patents.google.com/patent/EP0137515A2/en

Nach einem eineinhalbstündigen Aufenthalt im Salzwasser stapfe ich mit einer Angelschnur im Gepäck wieder auf den Kiesstrand. Das Nachtschnorcheln war ganz anders als ich es erwartet hätte, es war faszinierend zu sehen, wie verändert die Unterwasserwelt ist und wie still das Meer vor uns liegt. Ich möchte der ganzen Truppe nochmal für das tolle Erlebnis danken und natürlich für die super schöne Zeit in Kroatien :)

Und hier noch ein Insider: „Reisegruppe Abfahrt!“

Die MareMundi Praktikantinnen kurz vor dem Sprung ins Meer
Foto: Fiona Gumpinger



Bericht: Lara Süttner
Redaktion: Alexander Heidenbauer
Fotos: Team MareMundi