Gewöhnliche Krake (Octopus vulgaris) an der Küste in der Nähe unserer Meeresbiologischen Station auf Krk. / Foto: Wolfgang Slany

Oktopus-Intelligenz im Fokus: Ein interdisziplinäres Projekt zur Erforschung des kognitiven Potentials dieser faszinierenden Meeresbewohner

Oktopusse beflügeln aufgrund ihrer beeindruckenden Intelligenz die Phantasie vieler Fans dieser außergewöhnlichen Tiere. Ihre kognitiven Fähigkeiten wecken das Interesse von Wissenschaftlern auf der ganzen Welt. In einem mehrjährigen Forschungsprojekt wollen Meeresbiologen und Techniker das Intelligenzpotential von Oktopussen erforschen, indem sie ihnen bestmögliche Unterstützung bieten und sie in Kontakt mit Menschen und Maschinen bringen.

Das ROV (Unterwasserdrohne) von Prof. Wolfgang Slany besucht einen Oktopus (Octopus vulgaris)  in seiner “Burg”. / Foto: Wolfgang Slany

Das Projekt: Oktopusse und Technik im Einklang

Um die Fähigkeiten von Oktopussen besser zu verstehen, soll eine künstliche Höhle im Meer eingesetzt werden, in der die Meeresbewohner frei leben können, also die Höhle auch jederzeit wieder verlassen können. Diese Höhle wird unter anderem mit Kameras und LCD-Bildschirmen ausgestattet, die über Glasfaserkabel mit dem Internet verbunden sind. In der Höhle sollen verschiedene kognitive Experimente durchgeführt werden, zum Beispiel:

  1. Reaktion auf Videos auf Bildschirmen: Um die visuelle Wahrnehmung und Aufmerksamkeit von Oktopussen zu untersuchen, werden sie mit Videos auf Bildschirmen konfrontiert. Die Reaktionen des Oktopus auf die dargestellten Inhalte sollen aufgezeichnet und analysiert werden.
  2. Steuerung von Licht und Wasserdusche: Oktopusse sollen die Möglichkeit erhalten, Lichtquellen und eine Wasserdusche in der Höhle zu steuern. Dies ermöglicht es den Forschern, das Verständnis von Ursache und Wirkung der Tiere zu untersuchen.
  3. Fütterung via Krabbenreuse: Um die Problemlösungsfähigkeiten der Oktopusse zu testen, wird eine Krabbenreuse eingesetzt, die über ein Rohr mit der Höhle verbunden ist. Die Oktopusse müssen herausfinden, wie sie an die Nahrung in der Reuse gelangen können.
  4. Interaktion mit dem Bildschirm und Spielen: In diesem Experiment sollen Oktopusse ein einfaches Spiel lernen, bei dem sie einen kleinen virtuellen Oktopus auf dem Bildschirm steuern und herunterfallende Krabben und andere Tiere einfangen können. In weiterer Folge ist geplant, dass die Oktopusse in der Höhle über das Internet auch mit Menschen spielen können. Dies dient dazu, die kognitiven Fähigkeiten der Oktopusse weiter zu erforschen und herauszufinden, wie gut sie sich an neue Situationen anpassen können.

Beim MareMundi Institut Krk soll im Zuge des GoDeep Projekts eine künstliche Oktopus Höhle im Meer eingesetzt werden, in der die Meeresbewohner frei leben können.

Die Verbindung zum Bewusstsein und künstlichen Intelligenzen

Zwar wurde schon viel über das Bewusstsein von Oktopussen spekuliert, es gibt aber noch keine definitiven Antworten. Ihr neuronales Netzwerk ähnelt jedoch dem der aktuell in aller Munde befindlichen künstlichen Intelligenzen, insbesondere den sogenannten LLMs (Large Language Models). Die LLMs  können ebenfalls komplexe Aufgaben lösen und sich an unterschiedliche Situationen anpassen und bei ihnen wurden viele emergente Fähigkeiten beobachtet, die von den Entwicklern weder geplant noch erwartet wurden. Die Erforschung der Intelligenz von Oktopussen kann daher auch zu einem besseren Verständnis von LLMs und künstlicher Intelligenz beitragen.

Das Forschungsprojekt zur Intelligenz von Oktopussen verspricht spannende Einblicke in die kognitive und sensorische Welt dieser faszinierenden Meeresbewohner. Durch den Einsatz moderner Technologie und kreativer Experimente in verschiedenen Umgebungen können die Wissenschaftler die Grenzen des bisherigen Wissens über Oktopusse erweitern und möglicherweise neue Erkenntnisse über ihr Bewusstsein gewinnen.

Die Ergebnisse dieses Projekts können nicht nur die Art und Weise, wie wir Oktopusse und ihre Intelligenz wahrnehmen, revolutionieren, sondern auch wertvolle Erkenntnisse für die Erforschung von LLMs und künstlicher Intelligenz liefern. Die Erforschung der neuronalen Netzwerke von Oktopussen könnte dazu beitragen, die Funktionsweise von LLMs besser zu verstehen und möglicherweise neue Anwendungen für künstliche Intelligenz zu entwickeln.

Insgesamt zeigt dieses Projekt das enorme Potenzial, das in der Zusammenarbeit von Biologie und Technik steckt, um die Geheimnisse der Intelligenz und Evolution von faszinierenden Meeresbewohnern wie den Oktopussen zu entschlüsseln. Wir dürfen gespannt sein, welche spannenden Erkenntnisse die Zukunft für uns bereithält.

Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Slany, Technische Universität Graz

Kontakt für Bachelor- und Masterarbeitsthemen, sowohl im Bereich Meeres- und Verhaltensbiologie als auch im Bereich Computer Science (Software, AI, Computer Vision) und IT (Elektronik): Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Slany (wolfgang.slany@tugraz.at)



Bericht: Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Slany
Redaktion: MareMundi
Fotos: Wolfgang Slany / Team MareMundi

Veröffentlicht am 25.04.2023