Heiße Sommertage am Mittelmeer sehen zwar idyllisch aus, wie hier auf der Isola di Favignia, können aber unter Umständen verheerend für die Bewohner unter der Meeresoberfläche sein / Foto: Mareike de Breuyn

Nicht nur in unseren Städten wird es im Sommer heißer, auch Meeresbewohner leiden unter der zunehmenden Hitze. Eine neue Studie zeigt: Hitzewellen im Mittelmeer führen jährlich zum Massensterben von Nessel- und Moostierchen.

Das Mittelmeer oder auch Mittelländisches Meer liegt, wie der Name schon sagt mittig – und zwar zwischen den drei Kontinenten Europa, Afrika und Asien. Das Mittelmeer ist fast ein Binnenmeer und nur durch eine kleine Meerenge, der Straße von Gibraltar, mit dem Atlantik verbunden. Bekannt ist der Mittelmeerraum für seine artenreiche und vielfältige Flora und Fauna, mit einem großen Anteil an endemischen Arten (Arten, die ausschließlich hier heimisch sind). Diese sind allerdings zunehmend durch den Klimawandel bedroht.

Marine Hitzewellen

Marine Hitzewellen sind ein Phänomen von extrem hohen Meeresoberflächentemperaturen, die in einer Zeitspanne von mindestens 5 aufeinander folgenden Tagen vorkommen. Um als Hitzewelle zu gelten, müssen Wassertemperaturen der Meeresoberfläche höher sein als 90% der Werte eines 30-jährigen Vergleichszeitraums am entsprechenden Kalendertag und am gleichen Ort. Kommt es zu so einer marinen Hitzewelle, dann sind vor allem Arten betroffen, die aufgrund ihrer sessilen Lebensweise nicht fliehen können (sie sind nämlich festgewachsen).

Auswirkungen im Mittelmeer

Während die globale Erwärmungsrate in den Jahren 1982 – 2019 durchschnittlich bei 0,11°C pro Jahrzehnt lag, betrug die Erwärmungsrate im Mittelmeer mehr als 3-mal so viel (0,38° C pro Jahrzehnt). Das Mittelmeer wärmt sich also deutlich schneller auf als andere Meeresregionen. Eine neue Studie aus dem Journal „Global Change Biology“ scheint nun Licht auf die Konsequenzen dieser Erwärmung. Die Studie war eine Zusammenarbeit von Forschungsteams aus elf  mediterranen Ländern, die mit Vermessungen Tausende von Kilometern Küstenlinie an 352 Erhebungsorten im Mittelmeer abdeckten. Besonders marine Hitzewellen schienen drastische Folgen zu haben: demnach führten diese zwischen 2015-2019 jährlich zum Massensterben von Millionen Meeresbewohnern im Mittelmeer. Erhöhte Wassertemperaturen haben negative Auswirkungen auf die Stoffwechselleistung der Meeresbewohner und führen zu physiologischem Stress, welcher oft tödlich ist.

Besonders betroffene Arten

Laut Wissenschaftlern war das Mittelmeerbecken in fünf aufeinanderfolgenden Jahren noch nie in einem solchen Ausmaß von Massensterbe-Ereignissen betroffen. Besonders erschreckend ist die Anzahl und Vielfalt betroffener taxonomischer Gruppen (50 Gruppen aus acht Stämmen) über eine derart große Fläche. Am schlimmsten betroffen seien laut Studie Nesseltiere (Cnidaria), Moostierchen (Bryozoa) und Rotalgen (Rhodophyta). Insbesondere mediterrane Gorgonien, so wie die Farbwechselnde Gorgonie Paramuricea clavata, die Edelkoralle Corallium rubrum und die Weiße Gorgonie Eunicella singularis zählen als große Verlierer der aktuellen klimatischen Veränderungen. Gorgonien bilden hochkomplexe, dreidimensionale Lebensräume und bieten somit Schutz, Nahrung und Zuflucht für eine Vielzahl von Meeresbewohnern. Gibt es weitere Massensterbe-Ereignisse, könnte dies erhebliche Auswirkungen auf das Funktionieren von Ökosystemen am Meeresboden des Mittelmeers haben und sogar zu einem lokalen oder regionalen Artensterben führen.

Gibt es auch Gewinner?

Ja, die soll es geben, allerdings werde sich im Laufe der Zeit erst zeigen, wie genau sich die ökologischen Gemeinschaften im Mittelmeer verändern. Voraussichtlich werden vor allem anpassungsfreudige Arten den neu gewonnenen Platz bevölkern. Laut Wissenschaftlern des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), ist ein Meereslebewesen umso lebensfähiger im Klimawandel, je einfacher es gebaut ist. Demnach soll mit zunehmender Komplexität die Wärmetoleranz von Meeresorganismen sinken. In den wärmsten Meeresregionen unseres Planeten könnten Temperaturmaxima erreicht werden, die dauerhafte Grenzen für mehrzellige Tiere und Pflanzen darstellen. Die Gewinner hier: Archaeen, Bakterien, sowie tierische Einzeller. Diese profitieren von warmen Wassertemperaturen und könnten sich zunehmend vermehren und ausbreiten.

Quellen:

Garrabou, J., Gómez‐Gras, D., Medrano, A., Cerrano, C., Ponti, M., Schlegel, R., Bensoussan, N., Turicchia, E., Sini, M., Gerovasileiou, V., Teixido, N., Mirasole, A., Tamburello, L., Cebrian, E., Rilov, G., Ledoux, J., Souissi, J. B., Khamassi, F., Ghanem, R., . . . Harmelin, J. (2022). Marine heatwaves drive recurrent mass mortalities in the Mediterranean Sea. Global Change Biology, 28(19), 5708–5725. https://doi.org/10.1111/gcb.16301

Hobday, A. J., Alexander, L. V., Perkins, S. E., Smale, D. A., Straub, S. C., Oliver, E. C., Benthuysen, J. A., Burrows, M. T., Donat, M. G., Feng, M., Holbrook, N. J., Moore, P. J., Scannell, H. A., Sen Gupta, A., & Wernberg, T. (2016b). A hierarchical approach to defining marine heatwaves. Progress in Oceanography, 141, 227–238. https://doi.org/10.1016/j.pocean.2015.12.014

IPCC. (2019). IPCC special report on the ocean and cryosphere in a changing climate [H.-   O. Pörtner, D. C. Roberts, V. Masson-Delmotte, P. Zhai, M. Tignor, E. Poloczanska, K. Mintenbeck, A. Alegría, M. Nicolai, A. Okem, J. Petzold, B. Rama, & N. M. Weyer (Eds.)]. Cambridge University Press. https://doi.org/10.1017/9781009157964



Bericht: Mareike de Breuyn
Redaktion: Julian Robin
Foto: Mareike de Breuyn

Veröffentlicht am 17.01.2023