Gehäuse einer Herkuleskeule (Bolinus brandaris), Foto: Tiziano Cossignani, Atlante delle conchiglie del medio Adricatico

Gehäuse einer Herkuleskeule (Bolinus brandaris) / Foto: Tiziano Cossignani, Atlante delle conchiglie del medio Adricatico

Der Gewinn von Farbstoff ist ein Thema, mit dem man sich kaum im Alltag beschäftigt – jedoch ist der Weg vom Farbrohstoff bis zum bunten Muster auf der Kleidung kurios und voller Überraschungen.

Der Gewinn eines ganz bestimmten Farbstoffes hat insbesondere mein Interesse geweckt: 6,6-Dibromindigo, auch bekannt als Purpur. Obwohl viele Farbstoffe aus pflanzlichem Material gewonnen werden, gibt es ein paar Ausnahmen, die man aus Tieren gewinnen kann, wie zum Beispiel Purpur.

Der Grundstoff für die Herstellung dieser Farbe wird aus Purpurschnecken (Familie Muricidae) gewonnen. Zwei Arten spielen hier eine wichtige Rolle: Die Herkuleskeule (Bolinus brandaris) und die Stumpfe Stachelschnecke (Hexaplex trunculus). Die Gewinnung und Verwendung des Purpurs selbst haben eine lange Geschichte. Sie beginnt 1600 Jahre v. Chr. im Mittelmeerraum – in der minoischen Kultur auf Kreta.

Strukturformel eines 6,6-Dibromindigo Moleküls, Foto: Thomas Seilnacht

Strukturformel eines 6,6-Dibromindigo Moleküls / Foto: Thomas Seilnacht

Gehäuse einer Stumpfen Stachelschnecke (Hexaplex trunculus), Foto: Tiziano Cossignani, Atlante delle conchiglie del medio Adricatico

Gehäuse einer Stumpfen Stachelschnecke (Hexaplex trunculus) / Foto: Tiziano Cossignani, Atlante delle conchiglie del medio Adricatico

Später machten sich auch römische Kaiser und höhere Beamte die Farbe als Statussymbol zu nutzen: Nur der Kaiser selbst durfte sich in einem purpurfarbenen Gewand einkleiden, während Senatoren lediglich einen Streifen an ihrer Toga anbringen durften. Selbst heute wird Purpur immer noch mit hohem Status, Extravaganz und Luxus in Verbindung gebracht. Aber wie genau kam man damals an diesen edlen Farbstoff heran und warum war er nur den höchsten Beamten und Adeligen vorbehalten?

Die ersten Aufzeichnungen eines „Rezeptes“ zur Gewinnung konnte man bereits in den Aufzeichnungen von Plinius dem Älteren, einem römischen Gelehrten, finden. In seinem Buch „Naturalis historia“ beschreibt er in zwei Abschnitten zuerst die Schnecken selbst, dann den Prozess zur Gewinnung des Farbstoffes. Dabei wird der Schnecke die Hypobranchialdrüse (ein Organ für die Reinigung der Mantelhöhle, Verteidigung und Beutelähmung) entfernt, eingesalzen, über mehrere Tage getrocknet, danach zusammen mit Wasser in einem Topf aus Blei oder Zinn gemischt und zum Schluss beleuchtet.

Welche Menge an Farbstoff kann eine einzelne Schnecke liefern? Tatsächlich ist es so, dass für die Herstellung von Purpur pro Gramm Farbstoff rund 8.000 Schnecken notwendig waren! Eine riesige Menge an Schnecken waren also notwendig, wenn man bedenkt, dass ein einzelnes Individuum zwischen 4 und 10cm lang werden kann. Heutzutage wird Purpur nurmehr begrenzt verwendet und eingesetzt, wie z.B. bei kirchlich-traditionellen Anlässen.

Mit dem Wort „Schnecke“ assoziieren wir in der Regel keine hohen Geschwindigkeiten. Obwohl ich schon so einiges während meines Studiums gesehen und erlebt habe, war ich trotzdem überrascht und beeindruckt, wie schnell eine Hexaplex trunculus sich bewegen kann, wenn es um’s Fressen geht. Dass es räuberische Schnecken in der Familie der Muriciden gibt, wusste ich, aber ich hatte noch nie das Vergnügen gehabt, dies selbst zu beobachten. Eines Abends saß das Team im MMIK beim Aquarium und genoss einen wohlverdienten Feierabend. Nach und nach fingen wir an, uns vor dem Aquarium zu versammeln und wir beobachteten die verschiedenen Tiere, die noch aktiv waren. Unter anderem eine kleine Turbanschnecke, welche noch fleißig am Fressen war. Unser Institutsleiter Alex richtete unsere Aufmerksamkeit dann auf die große Purpurschnecke. Mit ihrem stolzen, 9cm großen Gehäuse ist sie deutlich größer als ihre zwei Artgenossen, die gemeinsam im Aquarium des MareMundi Institut Krk zu finden sind.

Das Schauspiel bei der darauf folgenden Fütterung war besonders faszinierend und lustig. Die Tiere im Aquarium werden in der Regel mit gefrorenen Sepiastückchen gefüttert. Mit einer Zange versuchte eine/r der Stations-Mitarbeiter/innen, der Purpurschnecke auch ein Stückchen zuzuführen, ein/e zweite/r probierte verzweifelt, die anderen Fische und unseren großen Taschenkrebs mit Aquariumswerkzeugen von der Zange fernzuhalten. Alle klebten an der Scheibe und schauten voller Spannung zu, wie sich die Purpurschnecke zuerst aus ihrem Schlaf langsam hinausbewegte, und dann in die Richtung des Futters wanderte. Die Bewegungen des Fußes waren nahezu hypnotisch, vergleichbar mit einer optischen Illusion. Die Schnecke machte einen sehr mächtigen Eindruck auf mich, als sie anfing, ihr großes Gehäuse zu wenden und zu drehen, um sich durch die enge Passage zwischen Felsen und Glasscheibe zu drängen. Und dann, nach einem langen Kampf gegen Schleimfische und Taschenkrebse, erreichte die Schnecke endlich das Stückchen Futter und der Proboscis (Rüssel) kam zum Vorschein. Das Stückchen Sepia war auf einmal blitzschnell in der Schnecke verschwunden. Alle Zuschauer/innen des Spektakels feierten den Erfolg, genauso wie Fußballfans einen Torschuss ihres Lieblingsteams feiern.

Abgesehen von den wertvollen, zoologischen Beobachtungen, die ich an diesem Abend gemacht habe, wurde mir wieder klar, wie viel ich bei MareMundi schon dazugelernt habe – und das oft in den lustigsten und unerwartetsten Situationen. Mit der Purpurschnecke wurde mein Interesse gegenüber Mollusken wieder geweckt und ich freue mich darauf, beim nächsten Besuch wieder etwas Neues und Cooles dazu zu lernen.

Quellen:

  1. Hofrichter, Robert (Hrsg,) (2020): Das Mittelmeer, Geschichte und Zukunft eines ökologisch sensiblen Raums, Heidelberg, 2. Auflage, S. 100
  2. Purpurfärberei im Römischen und Byzantinischen Reich, Wikipedia,  https://de.wikipedia.org/wiki/Purpurfärberei_im_Römischen_und_Byzantinischen_Reich (abgerufen am 19.06.2023)
  3. Seilnacht, Thomas (2022): Purpur, https://www.seilnacht.com/Lexikon/Purpur.htm (abgerufen am 19.06.2023)
  4. Lexikon der Biologie (1999): “Hypobranchialdrüse“, https://www.spektrum.de/lexikon/biologie/hypobranchialdruese/33419, Spektrum Akademischer Verlag (abgerufen am 19.06.2023)
  5. Purpur (Farbstoff), Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Purpur_(Farbstoff) (abgerufen am 19.06.2023


Bericht: Filip Setena
Redaktion: Heiko Gothe
Fotos: siehe Text

Veröffentlicht am 20.06.2023